Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
wenn genügend Janitscharen in der Stadt waren, so dass eine Abteilung zu seinem Schutz abgestellt werden konnte, und wenn er für die Zeit seiner Abwesenheit einen osmanischen Vertreter benannt hatte, konnte er, der amghar, zu seiner Reise nach Norden aufbrechen.
» Die Nachrichten aus Féz sind unklar, ich hörte von Kämpfen. Unter dem Geleit von Janitscharen werdet Ihr sicherer reisen. Darüber hinaus wird auch dein Ansehen als amghar und Freund unseres Sultans durch eine starke Abordnung dieser berühmten Krieger gestärkt. Warte also ab.« Mit Argumenten wie diesen hatte ihn der Imam von Tag zu Tag vertröstet und zum Bleiben bewogen.
Schon vor vielen, vor sehr vielen Tagen hätten sie aufbrechen können, Rabia und vor allem seine Mutter hatten längst alles Notwendige reisefertig verpackt. Sollten sie sich jetzt davo nmac hen, auf der Stelle, während alles drunter und drüber ging?
Im Nebenraum machte sich Unruhe breit. Diener verließen das Gemach und eilten davon, die Kinder weinten, jemand lachte nervös. Seine Mutter trat neben ihn und legte ihre Hand auf seinen Arm. » Yallah «, sagte sie mit Bestimmtheit. » Ich lasse jetzt die Kamele beladen.«
Erleichtert seufzte Hussein auf. Die Entscheidung war gefallen.
*
Der Abzug der osmanischen Truppen versetzte die Stadt in Aufregung, und endlich krochen die Bewohner aus ihren Behausungen hervor. Überall auf den Straßen wurde seit den frühen Morgenstunden gefeiert, und von überall her drangen Musik und die hellen Freudentriller der Frauen.
Sie hatten zwar gesiegt, doch nie hätte Saïd gedacht, dass die Befreiung der Stadt derart viele Tote fordern würde. Gemeinsam mit anderen hatte er Stunden damit zugebracht, die Toten zu bestatten. Um die Verwundeten – Osmanen wie Wüstenkrieger – kümmerten sich die Heilkundigen der Stadt mit ihren Helfern. Abdallah war unter ihnen, und auch er hatte seine Schulter versorgen lassen müssen. Stumm hatten sie nebeneinandergesessen, während sie warteten, dass sie an der Reihe waren. » Ich nehme an«, hatte Abdallah irgendwann zu ihm gesagt, » du weißt, was man nun von dir erwartet?« » Es ist noch nicht zu Ende«, hatte er geantwortet. » Ouacha, ein schwerer Weg liegt noch vor dir«, hatte der Freund genickt.
Vom Rücken seines Kamels grüßte er Abu Youssef, der ihn beglückwünschte. » Die Stimmen derer, die für dich als neuen amghar plädieren, werden lauter und mehren sich, Sheïk Saïd«, strahlte der alte Geldwechsler zu ihm hinauf. » Man bewundert dich für deine Tatkraft und deinen Wagemut.«
» Ich danke dir, aber ob mich auch die Witwen und vaterlosen Kinder bewundern werden? Oder die Baumeister, Ziegelmacher und Schreiner, deren Aufträge nun hinfällig sind? Außerdem ist meine Aufgabe noch nicht erfüllt, Abu Youssef, lass uns also nicht den zweiten Schritt vor dem ersten gehen.«
» Ich verstehe. Dennoch sollst du die Stimmung in der Stadt kennen.«
Saïd nickte, dann wandte er sich Abdul zu.
» Hussein und seine Familie sind fort, mit zwanzig schwer beladenen Lastkamelen, so jedenfalls erzählen die Diener«, berichtete der Torwächter. » Andere behaupten, es seien mehr als doppelt so viele Kamele. Wie auch immer, alles war von langer Hand vorbereitet, darin sind sie sich einig. Ebenso darüber, dass der Imam ebenfalls ziemlich überstürzt die Stadt verlassen hat. Und noch etwas. Du sollst dich nicht wundern, sagen sie, wenn du die geplünderten Räume siehst. Silberleuchter, Teppiche, Seidenstoffe: Alles Wertvolle haben Malika und Hussein anscheinend mitgenommen.«
» Ha, die werden sich wundern! In kürzester Zeit holen wir sie ein und nehmen ihnen die Schätze wieder ab«, erregte sich Sîdi Latif, in dessen Adern noch immer der Aufruhr des Kampfes tobte. Soeben sammelte er eine Gruppe von fünfzig seiner besten Kamelreiter vor dem nördlichen Stadttor. Mit ihnen würde er die Osmanen verfolgen, würde sie nach Norden und damit direkt in Sultan Muhammads Arme jagen.
» Zorn ist ein schlechter Ratgeber, mein Freund. Die Beute des amghar ist ohne Belang. Es sind ersetzbare Dinge«, entgegnete Saïd. Er fühlte sich leer und unsagbar erschöpft. So viele Tote … Nur mit Mühe löste er seine Augen von einem dunklen Fleck im Sand, über dem Fliegen summten. Ein Mensch hatte hier gelitten, denn es war Blut, das den Boden getränkt hatte. Wer es jedoch vergossen hatte, ob Freund oder Feind, war dem schwarzbraunen Sand nicht anzusehen.
Er blickte sich um. Vom Feldlager der
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