Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Osmanen, ihren Pferden und Zelten, die noch bis gestern hier vor der Stadt gelagert hatten, zeugten lediglich die verkohlten Reste der Feuerstellen und unbrauchbarer Unrat.
Sîdi Latif warf Saïd einen scharfen Blick zu und griff nach seinem chêche. Er besann sich jedoch und beließ die Kopfbedeckung an Ort und Stelle. » Du wirst wohl recht haben. Sollten wir unterwegs deinen Bruder einholen, wird Allah uns eine Eingebung schenken.« Auf sein Zeichen setzten sich die Kamelreiter in Bewegung, und auch Saïd trieb sein mehari an.
Sobald sie die Hochebene erreichten, schlug Sîdi Latif ein hohes Tempo an. Über dem schattenlosen Land glühte die Sonne, die wenigen ausgedörrten Sträucher und Gräser knisterten in der Hitze, und jedes Fleckchen unbedeckter Haut schien zu brennen. Trotz ihrer Gesichtsschleier hatten die Männer Mühe beim Atmen. Sie schienen die einzigen Lebewesen in dieser wabernden, konturlosen Landschaft zu sein. Weder Vögel noch Ziegen oder sonst ein Tier ließ sich sehen, von anderen Menschen ganz zu schweigen. Die Reiter folgten der schnurgeraden Karawanenstraße nach Norden, dem Gebirge entgegen, das als dunkler Wolkenberg den Horizont begrenzte. Saïd und Sîdi La tif r itten nebeneinander an der Spitze, dicht gefolgt von Hamid.
Hamid ließ seinen Herrn nicht aus den Augen. Er hatte bemerkt, dass Saïd es vermied, ihn anzusehen, war sich jedoch keines Versäumnisses bewusst. Wie hätte er auch ahnen sollen, dass Saïd jedes Mal die Fratze des Todes vor Augen hatte, sobald er ihn erblickte? Immer wieder kam ihm Hamids verzerrtes Gesicht in den Sinn, dabei verlangte es ihn, die Erlebnisse und Gefühle der vergangenen Nacht vergessen zu können.
Je weiter sie sich von Sijilmassa entfernten, desto besser gelang es ihm, die schrecklichen Bilder von Kampf, Blut und Tod aus seinem Kopf zu verbannen. Sie lauerten irgendwo im Verborgenen und würden ihn eines Tages einholen, das wusste er, doch zunächst galt es, den Sieg zu festigen.
Gelegentlich verließ Saïd die Karawane, ritt zu einer nahen Erhebung und suchte die weite Landschaft nach den Flüchtenden ab. Den Spuren nach zu urteilen ritten sie direkt nach Norden. Wenn die Osmanen diese Richtung beibehielten, mussten sie Sheïk Wahlid, der am Blauen Brunnen zu ihnen stoßen wollte, geradewegs in die Arme laufen.
Doch außer der Fährte im Sand, Bäumen, die auf silbrigen Wolken zu schwimmen schienen, und anderen Gaukeleien, die ihn zu narren versuchten, gab es nichts zu sehen. Die eintönige Landschaft zog an ihnen vorüber, und das Tal des Blauen Brunnens lag bereits nahe vor ihnen, als sie endlich die Sandfahnen von zahlreichen Reitern über dem Weg entdeckten.
» Da sind sie ja, die Schäfchen, die wir nach Hause treiben sollen«, freute sich Sîdi Latif. » Insha’allah treffen wir hier auch auf Sheïk Wahlid und seine Männer. Hieß es nicht, er erwartet uns im Tal des Blauen Brunnens?«
» Ouacha. Ich reite mit zwei Mann als Kundschafter voraus«, bestimmte Saïd. » Wartet hier, ich gebe euch Nachricht.« Er übersah Hamid und nickte stattdessen zwei jungen Wüstenkriegern aus dem Draá-Tal zu, verließ mit ihnen die Karawanenstraße und schlug einen weiten Bogen.
In der steinigen Ebene gab es so gut wie keine Deckung, doch Saïd kannte den Blauen Brunnen und seine Umgebung gut. Seit Kindesbeinen, wann immer er diese heiße, stinkende Quelle mitten im Nichts passierte, musste er halten und die braune Brühe, die zwischen Steinen und Kies aus der Erde quoll und binnen kurzem im Sand versickerte, untersuchen. Doch wie oft er das Wasser auch probierte, es war ungenießbar und nutzlos für Menschen, Tiere und die meisten Pflanzen. Die Leute behaupteten, die Dschinn der Wüste hätten sich mit diesem unbrauchbaren Wasser einen bösen Scherz erlaubt, weshalb sie der Quelle zum Ausgleich einen besonders schönen Namen gegeben hatten. Vielleicht besannen sich die Geister ja eines Tages und passten das faulige Wasser dem wohlklingenden Namen an? Immerhin hatte es mit der Zeit ein tiefes Bett gegraben, in dem sich die gelegentlichen Regenfälle sammelten. Offenbar reichten diese wenigen Regentropfen einigen Akazien, Dornbüschen und scharfkantigen Gräsern aber doch zum Überleben.
Ungehindert schlichen Saïd, Kasim und Sliman bachaufwärts. » Keine Wachen«, flüsterte Kasim. » Und keine Pferde, nur Kamele«, ergänzte Sliman und deutete auf sein Ohr.
Saïd nickte. Auch er hatte das Brummen identifiziert, das der Wind ihnen zutrug. Die
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