Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Wir haben uns entschlossen, alles zu belassen, wie es ist, und nicht gegen die Spanier vorzugehen. Im Gegenteil, wir wollen sie sogar enger an uns binden. Du kannst helfen, das zu erreichen.«
Saïd sah von dem jungen Sheïk, dessen Gesicht nicht wie das des Vaters von einem verbindlichen Lächeln erhellt wurde, zu dem alten Sultan. » Ouacha, du hörst richtig, wir wollen mit Spanien in friedlicher Nachbarschaft leben«, bestätigte der Sultan.
» Ein kluges Vorhaben.« Saïd legte die Hand auf seine Brust. » Aber seid ihr sicher, dass ausgerechnet ich etwas dazu beitragen kann?«
Sheïk Abdallah zwinkerte ihm plötzlich zu. » Allerdings. Wir wissen, du denkst geradlinig, jetzt aber solltest du eher wie ein Fährtenleser dein Gespür benutzen. Höre also: Dir als angesehenem Karawanenhändler wird niemand mit Vorbehalten begegnen. Jeder versteht, wenn du die Sicherheit des wichtigsten Handelsweges für Sijilmassa überprüfen und dich bis hin zum Hafen von Melilla vergewissern willst, dass deine ausländischen Geschäftsfreunde kein Ungemach befürchten müssen. Du kannst unauffälliger als jede offizielle Abordnung mit dem spanischen Bevollmächtigten ins Gespräch kommen und ihn von unseren friedlichen Absichten überzeugen. Wir werden dich natürlich mit weitreichenden Befugnissen ausstatten.«
Sultan Muhammad hob die Hand und hieß seinen Sohn schweigen. » Was sagst du dazu?«, wandte er sich an Saïd.
» Und Sijilmassa?«
» Dein Zögern ehrt dich, zeigt es doch, dass du deine Aufgaben als amghar ernst nimmst. Einen Mann mit weniger ausgeprägtem Verantwortungsgefühl hätten wir allerdings auch nicht gebeten, unsere Interessen bei den Spaniern zu vertreten.«
56
Trotz seiner reichen Erfahrung hatte man ihm immer noch kein eigenes Kommando anvertraut. Genuas Admiralität hatte sich zunächst von seinen Fähigkeiten als Navigator überzeugt, dann bot sie ihm den Posten als Erster Offizier an, beides offenbar eine Art Eignungsprüfung. Was dachten sie sich eigentlich dabei, ihn, einen versierten venezianischen Kapitän, noch dazu einen nobile, dessen Familie im Goldenen Buch der Stadt verzeichnet war, derart zu brüskieren?
Andererseits, wenn Marino es recht bedachte, konnte er froh sein, gerade auf dieser Reise nicht eine verantwortliche Position einzunehmen. Santa Cruz? Zum Teufel damit! Er verspürte nicht das geringste Verlangen, sich dort womöglich Kapitän Álvarez’ Vorwürfen und Anschuldigungen ausgesetzt zu sehen. Während der Liegezeit in Santa Cruz würde er also doppelte Wachen leisten und auch sonst nicht von Bord gehen, beschloss Marino Capello, Erster Offizier der Santa Teresa. Mit etwas Glück kam er auf diese Weise Kapitän Álvarez gar nicht erst unter die Augen.
Zunächst allerdings hatten sie Kurs auf Melilla genommen, neben Wahran einer der wenigen frei zugänglichen Häfen an der berüchtigten Barbareskenküste. Melilla unterstand der spanischen Krone, und soweit er wusste, sollte den Herren jener Stadt ein Schreiben des genuesischen Admirals Andrea Doria, genannt il principe, überbracht werden.
Zum Schutz der Handelswege im Mittelmeer hatte die Republik Genua ihren klugen und hochverehrten Admiral mit der Gründung einer neuen Liga gegen die Osmanen beauftragt. Hinter Doria aber, das wusste jeder, standen mit dem Papst in Rom und mit Kaiser Karl V. mächtige Bündnispartner, in deren Interesse es ebenfalls lag, gegen die mit den Türken verbündeten Korsaren vorzugehen. Für den Papst waren die Osmanen so etwas wie der Antichrist, er hätte sie und ihre Komplizen am liebsten vom Erdboden getilgt . Die Reise der drei genuesischen Schiffe verfolgte also einerseits den Zweck, eine Allianz gegen die Osmanen zu bilden und zu festigen. Andererseits sollten sie möglichst genaue Erkundungen sämtlicher Piratennester vornehmen, vor allem aber Lage und Stärke der Mannschaften und Befestigungen sowie Zustand und Bewaffnung ihrer Schiffe herausfinden.
Marino Capello stand auf dem Achterkastell der Santa Teresa, beobachtete die Stellung der Segel, die Wolken, und hielt zugleich Ausschau nach tückischen Untiefen. Der Wind frischte langsam auf. Wenn er hier das Sagen hätte, würde er mit der Santa Teresa ein wenig höher an den Wind gehen, bis die Wanten sangen . Der Konvoi der drei Schiffe fuhr in vernünftigem Abstand zur Küste gen Westen, und da Doria über jedes Detail genauestens informiert sein wollte, waren für ihre Reise mindestens drei Monate angesetzt worden. Erst danach
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