Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Formulierungen handelte, um ein strittiges Detail, ein von den Spaniern vorbereitetes Papier oder um die endlosen Listen und Aufstellungen der Christen und der Juden. Sie beäugten einander misstrauisch, und viele ihre r Auseinandersetzungen kamen ihm kindisch und unnötig vor.
In der übrigen Zeit begleitete ihn Tariq durch die Stadt und zeigte ihm, was er sehen wollte oder seiner Meinung nach kennen sollte. Bei diesen gemeinsamen Streifzügen achtete Saïd darauf, das jüdische Viertel und besonders die Straße, in der sich das Haus des Slimane befand, zu umgehen.
Je länger er sich in Melilla aufhielt, inmitten der Gemäuer und vielen Menschen, und je länger er Kälte und Feuchtigkeit ertragen musste, desto mehr vermisste er die Wüste. Regelmäßig unternahm er daher Ausritte in die Umgebung der Stadt. Sobald er das Stadttor passiert hatte und sein Blick nicht länger gegen Mauern stieß, konnte er freier atmen.
Täglich fanden Besprechungen statt, mit Ausnahme der drei aufeinanderfolgenden Feiertage: Freitags gingen die Muslime in die Moschee, am Shabbat ruhten die Juden, und der Sonntag gehörte den Christen. Von einem Sitzungstag zum nächsten bereitete Saïd sich vor, und zwar möglichst umfassend.
Mittlerweile wurde das Kernthema, nämlich die Höhe der Steuern und der Anteil des Sultans daran, deutlicher. Sheïk Abdallah hatte ihm geraten, bei diesem Punkt mit Überraschungen zu rechnen. Und tatsächlich, jetzt wollten ihm der Gouverneur, der Hafenmeister und der Festungskommandant gemeinsam weismachen, dass Melilla in den kommenden beiden Jahren sämtliche Einnahmen für den Ausbau der Festung benötigte. » Wir dürfen niemals die Gier der Osmanen unterschätzen, nach wie vor streben sie danach, ihr Reich nach Westen auszudehnen. Daher können wir leider auf keinen einzigen Dukaten verzichten, der durch die Hafengebühren erwirtschaftet wird«, behaupteten sie einträchtig. Immer wieder und mit immer neuen Worten brachten sie einen möglichen osmanischen Einfall zur Sprache und pochten zugleich auf den Schutz, den Melilla für das Hinterland gewährleisten müsse .
Nachdenklich betrachtete Saïd die klobigen Mauern der spanischen Festung. Sie waren auf der Landseite ebenso massiv und mit schmalen Schießscharten versehen wie auf den der See zugewandten Seiten. Das würde er in den nächsten Tagen noch einmal genauer von einem Boot aus überprüfen müssen, aber der erste Eindruck war hervorragend. Ein Meisterwerk des Festungsbaus und, wie es aussah, sehr solide und auf Dauer angelegt. An keiner Stelle konnte er einen Ausbau- oder Reparaturbedarf erkennen. Zusätzlich zur Festung mit den dort stationierten Soldaten gab es die massive Stadtmauer mit ebenfalls ausreichendem und gut bewaffnetem Wachpersonal. Was immer die Osmanen planen mochten, hier würden sie auf ein sehr wehrhaftes Bollwerk stoßen. Zu gegebener Zeit würde er diese Beobachtung erwähnen.
Er hatte seinen Rundgang beendet und Tariq bis morgen entlassen. Von seinem Platz aus hatte er den Hafen im Blick, auch er gesichert, doch außer einigen Fischerbooten, die entladen wurden, rührte sich dort nichts. Zu seinen Füßen brandete das Meer an die Felsen, die Wellen schäumten, sprangen in die Höhe und zogen sich wieder zurück.
Saïd wandte der Aussicht den Rücken zu und schlenderte zurück zu seiner Herberge. Hatten ihn die Besonderheiten von Melilla schon zuvor nur wenig fesseln können, so schenkte er ihnen jetzt überhaupt keine Aufmerksamkeit mehr. Er rollte seine linke Schulter. Bei bestimmten Bewegungen schmerzte sie immer noch von dem Fausthieb .
*
Seitdem Marino so brutal in ihr Leben eingedrungen war, hatte Sarah das Haus kaum verlassen, und wenn, dann nur für kurze Gänge. Sie fürchtete, ein längerer Aufenthalt in der feuchten Kälte könnte für Margali ungesund sein, zuhause lassen wollte sie das Kind aber keinesfalls. Mit ihrem knappen Jahr war sie ein recht zartes kleines Mädchen, das zu hartnäckigem Husten neigte. Sie hatte das Krabbeln entdeckt und bewegte sich nun flink durch den Raum. Jede Perle und jeden Krümel, den sie erwischte, steckte sie in den Mund, und bei aller Sorgfalt, es fiel dauernd etwas herunter! Manchmal zog sie sich bereits an Sarahs Knie in die Höhe. Schwankend, aber vor Stolz strahlend hielt sie sich eine Weile auf den Beinen, bevor sie sich wieder auf den Boden fallen ließ und ihre Erkundungen fortsetzte.
» Gib her!«, hatte er gefordert und seine Hände nach der Kleinen
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