Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Kräutergarten versorgte, half Medern, Miguel die Zeit zu vertreiben. Die beiden Männer hatten einander immer etwas zu erzählen, das lenkte Miguel ab. Er war ohnehin ein ungeduldiger Kranker. Neben den Schmerzen und Einschränkungen, die er als Bettlägeriger hinnehmen musste, war es vor allem die Tatsache, dass er nicht nach Venedig reisen konnte, die ihm zu schaffen machte. Tagelang hatte sie ihn kaum von der Schwere seiner Erkrankung überzeugen können. Irgendwann aber hatte er endlich eingesehen, dass jemand mit einer schwärenden Wunde wie der seinen während einer langen Seereise dem Tod geweiht war.
Der Wind frischte auf und riss Lücken in die dicken Nebelschwaden. Drei Schiffe liefen gerade ein, Karavellen, soweit Mirijam das von hier oben erkennen konnte. Vor allen Dingen wegen der Korsarenplage im Norden, am Bou Regreg, war dies zu einem derart seltenen Anblick geworden, dass sie den Segelmanövern zuschaute, bis sich die nächste Nebelwand vor die Aussicht schob.
» Dies hier brachte soeben ein Bote.« Naima stand in der Tür, ein gesiegeltes Schreiben in der Hand. » Es kam mit einer der Karavellen, die vorhin einliefen.«
Mirijam sprang so hastig auf, dass ihr Hocker umfiel. Auch Miguel richtete sich auf. Sie sahen sich an und erkannten ihre eigenen Hoffnungen in den Augen des anderen: Eine Antwort von Sarah?
Mirijam hob abwehrend die Hand. » Bedenke, unsere Nachricht nach Venedig ist erst weniger als einen Monat unterwegs, sie kann unser Schreiben noch nicht beantwortet haben, das käme einem Wunder gleich! Vermutlich hat sie es noch nicht einmal erhalten.«
Miguel nickte seiner Frau zu und ließ sich in die Kissen zurücksinken. » Du hast ja recht . «
Während er wartete, faltete Mirijam das Blatt auseinander.
Sie stieß einen kleinen Schrei aus, und ihre Hände zitterten. » Oh, Miguel! Denk dir, Sarah ist wieder hier.« Sie sank neben dem Lager ihres Mannes auf die Knie. Sie weinte.
Auch Miguels Wangen waren nass, und es dauerte, bis sie sich so weit gefasst hatten, dass sie wieder sprechen konnten. » Also, nun sag schon, was da steht«, knurrte der Kranke schließlich und räusperte sich. » Was heißt das: Sie ist wieder hier? Wo ›hier‹? Was schreibt sie?«
Mirijam wischte ihre Haare aus der Stirn, trocknete die Tränen und las den Brief ein zweites Mal. » Das Schreiben stammt von dem venezianischen Kapitän, in dessen Haus sie wohnt. Oder gewohnt hat? Jedenfalls schreibt er etwas von einer Flucht aus Venedig und dass sie ihre … Oh, es soll Perlenmanufaktur heißen! Was für ein Gekritzel, und dann noch Italienisch ! Jedenfalls ist sie offenbar inzwischen in Marokko, genauer, in Melilla. Hier sieh selbst, hier schreibt dieser Kapitän Pacelli: ›Ich ließ sie wohlbehalten im Haus des jüdischen Kupferschmieds und Graveurs Slimane und seiner Frau Lea zurück.‹ Ach, Miguel, Melilla … Das ist gar nicht so weit entfernt, zumindest nicht so weit wie Venedig.«
62
Die Verhandlungen mit den Spaniern fanden regelmäßig statt, und es fiel Saïd jetzt leichter, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Nur in den Nächten gelang es ihm nicht, seine Gedanken von Sarah frei zu halten.
Neben Señor Alonso Ruiz, dem Kommandanten der Festung, und dem Hafenmeister nahmen auch der Bischof als Abgesandter der Kirche und der jüdische Gemeindevorsteher mit ihren jeweiligen Delegationen an den Verhandlungen teil. Saïds erste und, wie er fand, wichtigste Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, dass die masirischen Bewohner der Stadt ebenfalls bei den Unterredungen vertreten waren. Amron, der alte Schreiber, riet ihm, die ansässigen Handwerker und Händler einen Mann aus ihrer Mitte bestimmen zu lassen. Nun saß der angesehene Sîdi Abu Omar, Besitzer einer Mühle, einer Bäckerei sowie mehrerer Fischerboote, mit am Tisch. Viele Männer und dazu noch ungleich, was Macht und Befugnisse anging. Also zogen sich die Beratungen vom ersten Tag an in die Länge. Sowohl der Sultan als auch Sheïk Abdallah hatten ihn darauf vorbereitet, dennoch war Saïd überrascht, wie viele verschiedene Sichtweisen zu ein und derselben Frage es geben konnte. Manchmal wurden lediglich die gegensätzlichen Standpunkte erläutert, nicht aber ein Ziel formuliert, geschweige denn nach Wegen zu dessen Erreichen gesucht. Es schien, als wolle man Annäherungen vermeiden! In solchen Situationen bewährte sich Amron als erfahrener Ratgeber. Er half ihm, die Geduld nicht zu verlieren, ob es sich um unklare
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