Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
aus ihrer Heimat erreicht die Stadt offensichtlich, so dass sie weiterhin ihren viel gerühmten Wein genießen können. Diese Nachricht wird meinen Herrn erfreuen.«
Señor Alonso Ruiz, der gobernador, lachte und erhob sein Glas. » Salu d ! Ich trinke auf die Gesundheit Eures hochgeehrten Sultans und auf den weiterhin störungsfreien Nachschub. Besonders aber trinke ich auf einen zufriedenstellenden Verlauf unserer Gespräche, verehrter Sheïk.«
Saïd neigte dankend den Kopf. Er wusste, heute ging es lediglich um ein gegenseitiges Kennenlernen und darum, durch die ausgetauschten Höflichkeiten den kommenden Verhandlungen eine gute Grundlage zu verschaffen. » So sei es, mit Allahs Hilfe. Mein Sultan, Allah schenke ihm ein langes Leben, wie auch sein Sohn Sheïk Abdallah vertrauen auf Euer Wort und auf das des spanischen Königs. Sie sind sicher, nachdem die osmanischen Eindringlinge das Land nun endgültig verlassen haben und der Friede in alle Regionen zurückkehrt, werden wir voneinander nur Vorteile zu erwarten haben.«
» Davon gehen wir ebenfalls aus. Zumal Ihr bewiesen habt, dass Ihr zu kämpfen und zu siegen versteht, aber auch, dass man Euch nicht mit leeren Versprechungen blenden kann.«
» Kein klar denkender Mann liebt den Kampf um seiner selbst willen, Señor. Und angesichts von Gefahren benötigt man neben Mut und Einigkeit auch Klugheit. Insha’allah werden uns diese Erfahrungen in Zukunft von Nutzen sein.«
Nachdem solcherart klargestellt war, dass man einander als gleichwertig einschätzte, wurde der Beginn der Gespräche einvernehmlich auf die kommende Woche festgelegt, und man wandte sich vergnüglicheren Plaudereien zu.
61
Santa Cruz de Aguér
Sie liebte diesen Blick von hier oben, und sie brauchte ihn, um den Kopf freizubekommen, doch heute war die weite Bucht unter dem morgendlichen Nebel kaum zu erahnen. Er würde sich nicht, wie noch vor kurzem, unter der Mittagssonne auflösen. Vielmehr zeigten Wind und Regen Mirijam deutlich, dass inzwischen in Santa Cruz und an der langen, stürmischen Küste der Herbst Einzug hielt. Zum Glück hatten sie schon vor Jahren eine zusätzliche Feuerstelle mit Rauchabzug im Haus eingebaut, die behaglichere Wärme verbreitete als die üblichen Wärmepfannen. Falls es weiterhin so nasskalt blieb, würden sie Miguels Krankenlager in deren Nähe verlegen müssen, Feuchtigkeit tat ihm nicht gut.
Sein Gesundheitszustand bereitete ihr immer noch große Sorgen. Immer wieder hatte sie in den letzten Wochen in ihren Folianten geblättert, hatte die medizinischen Unterlagen des alten Heilers Abu Alî durchsucht und in seinen Heilkräuterbüchern und Aufzeichnungen geforscht. Zuerst hatte die Wunde vom Biss des Kamels nur geeitert und genässt. Inzwischen faulten die Wundränder.
Obwohl ihr Operationen Angst einjagten, hatte sie sich einmal bereits überwinden können und das brandige Fleisch mit einem dünnen, sehr scharfen Messer entfernt, aber es war eine schreckliche Tortur gewesen. Zudem hatte es wenig genützt.
Eigentlich hatte bisher gar nichts wirklich geholfen. Was immer sie sich auch an Umschlägen, Tees oder Waschungen ausdachte, welche Kräuter sie auch zu Salben verarbeitete und auf die Wunde auftrug, Miguels Bein wollte nicht heilen. Neuerdings wurde er zusätzlich immer wieder von Fieber geschüttelt. Dem wenigstens konnte sie beikommen, so dass sich die Fieberschübe in Grenzen hielten, dennoch würde sie wohl noch einmal die Wunde ausschneiden müssen. Seit gestern roch die Stelle wieder faulig.
Mirijam zog ihr wollenes Tuch fester um die Schultern. Seitdem Cadidja, die gute Seele, mit ihrer Tochter Naima aus Mogador gekommen war und das Kommando im Haus übernommen hatte, fand sie hin und wieder einen freien Augenblick, den sie hier oben auf der Terrasse verbringen konnte. Diese kurzen Momente waren auch notwendig. Wie sollte sie sonst mit einem einigermaßen zuversichtlichen Gesicht vor ihren armen Miguel treten?
Jetzt gerade saß Medern an Miguels Bett. Obwohl der alte Kontorist kaum noch aus dem Haus ging, ließ er sich regelmäßig in einer Kutsche den Berg hinauffahren, um » mit dem Kapitän zu konferieren«, wie er es nannte. Dabei lagen Miguels Geschäfte brach, schon seit mehr als einem Jahr, seitdem Sarah …
Halt, darüber nicht nachdenken, befahl sich Mirijam streng. Lieber wollte sie sich freuen, dass ihnen in dieser schweren Zeit treue Menschen zur Seite standen.
Während Cadidja das Hauswesen im Griff hatte und Naima den
Weitere Kostenlose Bücher