Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
beschützt hätte? Verkauft als Sklavin … Sie schauderte. Ohne Saïd und seine Männer wäre es für die Söldner ein Kinderspiel gewesen, sie zu ergreifen. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, Sklavenjägern in die Hände fallen zu können. Warum hatte sie daran nicht gedacht? Welche weiteren Gefahren hatte sie übersehen oder für gering gehalten? Der Weg nach Venedig war noch weit …
*
Saïd wartete, bis Yasmîna mit ihrer Herrin außer Hörweite war, dann sagte er: » Was immer dein marabout auch vom Schweigen hält, an unseren Feuern gilt mein Wort. Nun also erzähle auch den Rest. Was treiben die Osmanen hier? Was sollen sie auskundschaften, und in wessen Auftrag sind sie unterwegs?«
Lahsen sträubte sich. » Sîdi, du weißt nicht, was du von mir verlangst.«
» Es gibt einen Weg, das zu ändern: Sprich zu mir.«
» Sîdi, kein Sa’adier möchte das hören, ich schwöre es beim Leben meiner Mutter.«
Warum schwieg er so hartnäckig, wunderte sich Saïd. Musste er dem Nomadenjungen etwa erst drohen? So etwas widerstrebte ihm. Betont entspannt lehnte er sich zurück, kreuzte die Füße und schaute hinauf in den dunklen Nachthimmel, wo Unmengen von Sternen funkelten. Er schwieg.
Irgendwann begann er wie absichtslos: » Allah prüft uns in diesem Jahr mit einem besonders heißen Sommer. Ich hörte, die Stämme in den Bergen haben bereits viele Tiere verloren, sogar die Arganbäume unserer Freunde im Tal des Oued Sous verdorren. Im Tafilalt scheint es hingegen noch genügend Wasser zu geben, la illah illalah. Du bist weit herumgekommen, in welchem Gebiet hast du die besten Brunnen vorgefunden?«
» Wie du sagst, Sîdi, das Tafilalt ist wirklich gesegnet. Diese große Oase ist Allahs Augapfel, so grün und kühl, und alle Schafe dort sind fett. Das beste und süßeste Wasser? Es ist das aus den Brunnen von Sijilmassa!«
» Den Menschen dort geht es also gut?«
» Sogar sehr gut. Jeden Tag gab es selbst für mich Datteln und süße Milch und sogar Fleisch. Alles war so reichlich vorhanden, dass unsere Schalen niemals leer wurden. Und wir haben viele wichtige Männer getroffen, auch den heiligen Mann von Sijilmassa, Sîdi Alî al-Agurram«, behauptete Lahsen mit leuchtenden Augen. Seine Erleichterung, nicht länger unangenehmen Fragen nach osmanischen Söldnern und ihrem Tun ausgesetzt zu sein und stattdessen in Erinnerungen an schönere Tage schwelgen zu können, war mit Händen zu greifen. Außerdem schien es ihm zu gefallen, ernst genommen zu werden, jedenfalls bedeutend genug für ein richtiges Gespräch am Feuer.
Von diesem Alî al-Agurram hatte Saïd noch nichts gehört, er war offenbar erst nach seiner Abreise in Sijilmassa aufgetaucht. Was der Junge wohl sonst noch berichten konnte? Immerhin redete er endlich.
» Das will ich dir gern glauben«, stimmte er Lahsen freundlich zu. » Auf den Straßen der Karawanen begegnet man der Welt. Dort findet sich neben Reichtum vor allem Wissen, das die Reisenden mit sich führen.«
» Wenn du es sagst, Sîdi.« Lahsen schaute leicht verunsichert. Dann aber fuhr er mit neuem Schwung fort: » Vorher allerdings nahm man uns nicht gut auf. Mustapha sollte mehrere caïds aufsuchen, um ihnen wichtige Briefe zu überbringen, sie jedoch ließen uns vor den Toren ihrer stolzen Kasbahs auf Antwort warten. Kaum, dass man uns Wasser gab, und das bei der Hi tz e.«
» Tsts.« Saïd schnalzte mitfühlend mit der Zunge. » Das ist hartherzig.«
Lahsen nickte. » Allah wird ihren Geiz strafen. Doch nicht so beim amghar von Sijilmassa! Schon der Abstieg in das riesige Tal durch die schattigen Palmenhaine war wie der Weg ins Paradies. Allein die vielen seguias, die bis zum Rand gefüllt waren mit klarem Wasser, und erst die Gärten mit Granatäpfeln und Aprikosen und anderen süßen Früchten.« Der Junge sang beinahe vor Entzücken. » Und dann begrüßte uns der amghar, der edle Sheïk Hussein auch noch persönlich, führte uns in einen Hof und ließ sogleich die fettesten Hammel schlachten.«
Saïds Kopf fuhr herum, er starrte den Jungen an. Hussein sollte die Osmanen empfangen und großzügig bewirtet haben? Er musste überlegen.
Bedächtig trank er den letzten Schluck Tee, den bitteren Satz. Der Junge kannte weder ihn noch Azîza, das war offensichtlich. Er wusste lediglich, dass sie den Banu Sa’ad angehörten und keine Freunde eines Bündnisses mit den Osmanen waren, ahnte jedoch nicht, dass er Sheïk Husseins Bruder vor sich hatte. Falls Lahsen die Wahrheit
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