Purpurfalter
streifte ihr den Ring ab. Er prüfte ihn, sah das Siegel und schleuderte ihn angewidert in den Innenhof, wo dieser klirrend über die Steine rollte und schließlich in einer Pfütze liegen blieb. Der Graf zog die Vampirin an den Haaren hinter sich her. Sein Blick streifte Loreena, als er an ihr vorüberging. Dann nickte Schomul dem Henker zu. Mit eiskalter Miene drückte er Amorgene auf die Guillotine, sodass ihr Hals unter dem Fallbeil lag. Verzweifelt versuchte sie sich zu wehren. Sie ruderte wild mit den Armen, stieß sich an den Holzbalken des Schafotts mit den Füßen ab. Doch Schomul hielt ihre Haare fest.
„Passt auf!“, rief Mogall plötzlich. „Sie ist eine von ihnen. Sie besitzt Brennhaare.“
„Bombadierspinne“, entfuhr es dem Grafen. Angewidert ließ er von der Vampirin ab. Mit einem Satz sprang sie hoch. Schon löste sich Amorgenes Lockenpracht. Sie kreischte laut und schleuderte Schomul ihre Haare entgegen.
Loreena hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. Schomul hustete hysterisch, als drohe er zu ersticken. Obwohl er die Locken mit beiden Händen abwehrte und zu Boden warf, benahm er sich so, als würge ihn jemand. Mit hochrotem Gesicht schnappte er nach Luft. Während seine rechte Hand an der Kehle lag, hielt er sich mit der Linken krampfhaft am Geländer fest. Mitleid riss Loreena innerlich entzwei. Schomuls Rachen und seine Nase mussten sich anfühlen, als würde jemand mit Strohhalmen hineinstechen. Brennhaare. Amorgene besaß sie tatsächlich, als wäre sie eine Bombadierspinne.
Dann ging alles sehr schnell. Der Henker krallte die Finger in die Schultern der Vampirin, warf sie auf die Guillotine und kniete sich unbarmherzig auf ihren Rücken. Mittlerweile atmete Schomul langsamer. Sein Teint wurde wieder wächsern. Der Graf hob den Arm. Er blickte zu Loreena, sodann zum Henker und senkte die Hand. Der Henker kappte das Seilt mit einem Dolch. Surrend fiel das Beil herab und Amorgenes Haupt rollte in den Eimer. Ihre Gliedmaßen fielen kraftlos runter. Schlaff lag ihr Körper dort, wo beinahe Loreena gelegen hätte.
Es herrschte Totenstille auf Tide. Nur Graf Schomul hustete. Kaum konnte er wieder ruhig atmen, schritt er forsch zu Mogall. Seine Miene war starr, sein Teint leichenblass.
„Bitte nicht.“ Loreena stellte sich ihm in den Weg. Mochte Mogall sie auch reingelegt haben, so hatte er sich doch zumindest am Schluss selbst gestellt, um ihr zu helfen. „Lasst Ihn gehen.“
„Er hat ebenfalls den Tod verdient.“
„Tut es für mich.“
„Er wollte Euch umbringen.“
„Ihr wolltet mich auch töten.“
Seine Gesichtszüge entspannten sich. Schomul schob sie beiseite und stapfte an ihr vorüber. „Geht, bevor ich mich vergesse“, zischte er Mogall zu. „Kehrt nie wieder nach Valkenhorst oder Ingrimm zurück.“
„Verbannung?“ Erstaunt strich sich Klavorn über seine kinnlangen Koteletten. „Eine milde Strafe.“
Schomul deutete auf Loreena. „Das bin ich ihr schuldig“, sagte er und nickte. „Tötet das Wandervolk – ausnahmslos!“
Loreena kämpfte mit den Tränen, während sie Mogall beobachtete. Zitternd reichte er dem Grafen die Purpurne Schriftrolle. Er zog schnell seine Hand zurück und stolperte die Stufen hinab. Dort blieb er wie erstarrt stehen, anstatt das Weite zu suchen. Sehnsüchtig sah er zu Loreena. Der Graf schritt drohend einige Treppenstufen hinab. Da drehte sich Mogall um. Hastig bahnte er sich einen Weg durch die Menge. Er sprang auf einen Gaul und gab ihm die Sporen. Graf Schomul erteilte den Wachmännern auf der Festungsmauer den Befehl, das Tor zu öffnen. Ohne sich noch einmal umzuschauen ritt er hindurch.
Loreena schluchzte. Sie war am Ende mit ihren Nerven. Besorgt sah Schomul sie an. Wor und Lomas stürzten die Stufen hoch.
„Wie konnte ich nur so blind sein?“, fragte sich ihr Vater und umarmte sie.
Lomas drängte dazwischen. „Bist du in Ordnung?“
„Ja“, brachte sie mühsam hervor. Sie wollte nur fort von dem Schafott, der schrecklichen Guillotine. Die Menschen und Vampire starrten sie immer noch an. Alle Blicke waren ihr gewiss, das Tuscheln unerträglich. Es klang wie das Summen von tausenden Hornissen, aufdringlich und gefährlich. Loreena war schweißgebadet, obwohl die Nacht bitterkalt war. „Ich möchte ein Bad nehmen.“
„Ich lasse einen Zuber in dein Gemach stellen und Wasser erhitzen.“ Zärtlich streichelte Wor ihre Wange.
„Komm.“ Lomas reichte ihr seinen Arm.
Dankbar hakte sich Loreena ein.
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