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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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auf der Pritsche an.
    Über die Lehne des einziges Stuhles gebeugt, wandte Padre Theodorus sich an Brodka: »Sie waren schon auf der richtigen Fährte, damals im Campo Santo. Vermutlich hatten Sie den Eindruck, der alte Theodorus wäre nicht ganz richtig im Kopf. Ja, Sie brauchen sich nicht zu genieren, das war durchaus beabsichtigt. Ich mußte es tun. Schließlich waren Sie nicht der einzige, den das geheimnisvolle Grab beschäftigt hat.«
    »Sie geben also zu, daß im Campo Santo eine Beerdigung stattfand?«
    »Natürlich. Ich war ja dabei.«
    Brodka blickte Sydow vielsagend an. Die Einsamkeit des Ortes hatte offensichtlich Padre Theodorus' Erinnerung beflügelt.
    »Dann wissen Sie auch, wer dort bestattet wurde?«
    Padre Theodorus legte den Kopf zur Seite, und zögernd meinte er: »Das nicht. Ich kann nur sagen, was ich gesehen habe.«
    »Und was haben Sie gesehen, Padre?«
    »Einen Leichenwagen mit Münchner Autonummer.«
    »Sind Sie sicher?« rief Brodka aufgeregt.
    »Ganz sicher«, erwiderte Theodorus gelassen. »Es war schon dunkel, als der Wagen das Tor beim Heiligen Officium passierte, aber das Schild konnte ich trotzdem lesen. Man hatte mich am Tag zuvor von dem Ereignis in Kenntnis gesetzt und mich zu strengster Geheimhaltung verpflichtet. Nun, so etwas passiert ja auch nicht alle Tage. Genaugenommen fand seit den fünfziger Jahren auf dem Campo Santo keine Beerdigung mehr statt. Ich habe mir zunächst keine Gedanken gemacht. Aber dann erschienen vier Mönche von einem mir unbekannten Kloster. Nachdem die Tore geschlossen waren, schaufelten sie ein Grab. Kaum waren sie mit der Arbeit fertig, fuhr das Auto aus München vor, und der Sarg verschwand in der Erde. Kein Priester, kein Gebet, keine Trauergemeinde. Nach einer Stunde war alles vorüber. Spät in der Nacht ist dann eine Gestalt an das Grab getreten und blieb bewegungslos davor stehen, gewiß eine Stunde lang. Dann verschwand sie lautlos, kam aber in der Nacht darauf wieder, und auch in der übernächsten Nacht. Dann war der Spuk zu Ende.«
    »Konnten Sie erkennen, wer es war?«
    Der Padre schüttelte den Kopf.
    Brodka legte die Stirn in Falten. »Könnte es Kardinal Smolenski gewesen sein?«
    »Das glaube ich nicht. Der Kardinalstaatssekretär ist ein auffallend kleiner Mann. Es könnte weiß Gott wer gewesen sein.«
    »Sagen Sie mir noch eines«, meinte Brodka: »Warum erzählen Sie uns das alles so bereitwillig?«
    »Warum?« Padre Theodorus zupfte sich an der Nase. »Ich weiß, Rache ist nicht gerade eine christliche Tugend, aber für einen wie mich die einzige Möglichkeit, der Willkür der Oberen zu begegnen.«
    »Wie meinen Sie das, Padre Theodorus?«
    »Sie sehen doch, was aus mir geworden ist!« Er machte eine weit ausholende Armbewegung, welche die gesamte Zelle umfaßte.
    »Sie sind nicht freiwillig hierher gegangen, Padre?«
    Theodorus lachte bitter. »Können Sie sich vorstellen, daß jemand freiwillig hierherkommt?«
    »Kaum.«
    »Sehen Sie. Die Mönche fürchten dieses Kloster mehr als den Teufel. Wer nach San Zaccaria kommt, der geht nicht mehr fort. Hierher kommt man zum Sterben. Kaum ein Tag vergeht, an dem sie nicht einen von uns hinaustragen.«
    »Aber warum haben Sie das mit sich geschehen lassen?«
    »Warum, warum! Man hat mich mit Gewalt in dieses Kloster gebracht. Die Generalkurie meines Ordens schickte mir zuerst einen Brief, in dem mir angekündigt wurde, daß ich meinen Dienst im Deutschen Kolleg aus Altersgründen aufgeben müsse. Ein paar Tage später erschienen zwei Krankenpfleger, die mich hierher brachten. Ich werde verrückt bei dem Gedanken, meine letzten Jahre in dieser Umgebung verbringen zu müssen.«
    »Warum verschwinden Sie nicht einfach?« meldete Sydow sich zu Wort. »Das dürfte doch nicht so schwierig sein.«
    Der Padre zog die Mundwinkel nach unten. Dann meinte er: »Verschwinden? Wohin denn? Ein Mönch in meinem Alter! Wie stellen Sie sich das vor? Ich habe keinen Beruf gelernt. Ich wäre hilflos. Nein, hier läuft keiner davon.«
    »Und was ist der Grund für Ihre Verbannung?« wollte Brodka wissen. »Was meinen Sie?«
    Theodorus spähte durch die angelehnten Fensterläden in den Innenhof des Klosters. »Es ging wohl in erster Linie darum, einen Augenzeugen aus dem Weg zu schaffen. Eine andere Erklärung habe ich nicht. Allerdings weiß ich nicht, was an einer Beerdigung auf dem Campo Santo so verwerflich sein könnte, daß man sie vor aller Welt verheimlichen muß. Aber vielleicht können Sie mir das

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