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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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Kunst verstehe ich, mit Verlaub, überhaupt nichts. Wissen Sie, die heutige Kunst erscheint mir als die Perfektion des Unvermögens. Ich bin der Meinung, daß zu einem Kunstwerk mehr gehört als das Aufstapeln von Holzprügeln, Eisenbahnschienen und Fernsehapparaten oder das Manipulieren mit Fett, Filz, Blut und Schrott. Ich bin gewiß kein frommer Mensch, aber ich glaube, daß Blasphemie und Pornographie keineswegs ein Gütezeichen für künstlerische Potenz sind.«
    Juliette lachte auf und sagte: »Und mit so einem Mann bin ich verheiratet! Wenn es nach ihm ginge, müßten noch heute alle Maler Rembrandt zum Vorbild haben, und die Bildhauer Michelangelo. Aber darüber haben wir uns mehr als einmal unter Androhung von Scheidung und Duellierung gestritten.«
    Auch Collin lachte jetzt, zum erstenmal an diesem Abend. Dann wandte er sich Brodka zu. »Sie stehen mit meiner Frau in geschäftlicher Beziehung, Herr Brodka?«
    Juliette nahm ihm die Antwort ab. »Wenn du damit meinst, ob Herr Brodka Kunstwerke bei mir gekauft hat, lautet die Antwort ja. Er sammelt leidenschaftlich grafische Arbeiten der deutschen Expressionisten.«
    Brodka schmunzelte und nickte zustimmend, und bevor der Professor ihn näher zu seiner angeblichen Leidenschaft befragen konnte, fragte er Collin: »Und Sie, Professor? Haben Sie keine Leidenschaft?«
    »Natürlich habe auch ich eine Leidenschaft …«
    »Mich«, unterbrach Juliette ihn lächelnd, doch Brodka hatte den Eindruck, als wollte sie Collin am Weiterreden hindern.
    Doch der ließ sich nicht beirren und fuhr fort: »Dich vor allem, ja. Aber es gibt noch andere Dinge, die mich ins schwärmen bringen.«
    »Lassen Sie mich raten. Kostbare alte Bücher?«
    Der Professor schüttelte den Kopf.
    »Die meisten Ärzte und Rechtsanwälte sammeln alte Bücher.«
    »Ich nicht.« Collin schien verärgert über diese Bemerkung. »Selbst wenn Sie mich für einen Banausen halten, ich will Ihnen zeigen, was meine Leidenschaft ist.« Er erhob sich.
    Juliette machte ein finsteres Gesicht. »Kann das nicht bis nach dem Essen warten? Außerdem glaube ich, daß du unseren Gast langweilst.«
    Doch Collin hob nur die Schultern, als wollte er sagen: Dann ist das seine Sache. »Kommen Sie, Herr Brodka.«
    Brodka warf Juliette einen fragenden Blick zu; dann folgte er dem Professor in den Keller, ein hell erleuchtetes Gewölbe mit vielen Türen. Er hatte eigentlich erwartet, der Professor würde ihn in ein Kabinett erlesener Wein- oder Champagnerflaschen führen, und vielleicht verbarg sich hinter einer der Türen tatsächlich ein solcher Weinkeller. Doch nachdem Collin eine doppelt gesicherte Tür mit zwei verschiedenen Schlüsseln geöffnet und den Kellerraum dahinter betreten hatte, verharrte Brodka staunend und erschreckt zugleich: Aufgereiht an den Wänden und in Stahlregalen lagerte eine beeindruckende Sammlung Pistolen, Revolver und Gewehre, alte Vorderlader und Steinschloßpistolen, Jagdflinten und Colts. Was in aller Welt bewegte einen Mann, eine solche Sammlung zusammenzutragen?
    Als hätte er Brodkas Gedanken erraten, trat der Professor vor ihn hin und sagte, wobei seine Augen unruhig flackerten: »Ich weiß, was Sie jetzt denken, mein Lieber. Da versucht einer, seine Potenz und Männlichkeit zu beweisen. Aber das ist ein Irrtum. Mich fasziniert die Schönheit der Waffen, die handwerkliche Kunst und ihre Geschichte. Egal ob eine Waffe zweihundert Jahre alt ist oder zwanzig, jede hat ihre eigene Geschichte. Hier, nehmen Sie die mal in die Hand.«
    Er reichte Brodka ein eigenartig rund geschwungenes Schießeisen und erklärte: »Eine Roth-Sauer-Pistole, von Sauer in Suhl und Roth in Wien hergestellt. Sie wird von oben geladen und besitzt einen Drehwarzenverschluß, Kaliber 7,65.«
    Brodka erschrak. Widerwillig hielt er die eigenartig geformte Waffe in der Hand. Dann fragte er unvermittelt: »Haben Sie auch eine Walther PPK in Ihrer Sammlung?«
    »Wie kommen Sie darauf?« fragte Collin zurück.
    »Es ist die einzige Pistole, deren Namen ich kenne.«
    »Nein«, antwortete der Professor, »eine Walther PPK habe ich nicht. So etwas ist mir zu alltäglich.« Schließlich nahm er Brodka die Waffe aus der Hand, legte sie an ihren Platz zurück und meinte kühl: »Obwohl sie zum Töten gut genug ist.«
    Brodka fühlte sich unbehaglich. Er wußte nicht, was er davon halten sollte, daß Collin im Keller seines Hauses ein solches Waffenarsenal lagerte – mehr noch, daß er ihm seine Sammlung so bereitwillig gezeigt
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