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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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hatte. Und warum hatte Juliette ihm nie davon erzählt?
    Als die beiden Männer aus dem Keller kamen, bat Juliette zum Hauptgang. Es gab Rehbraten mit Rotkohl und Maronenmus. Hatten sie die Vorspeise noch bei angeregter Unterhaltung genossen, verlief das Dinner nun ziemlich schweigsam.
    Weiß er von meinem Verhältnis mit Juliette, fragte sich Brodka. Mit einem Mal hegte er Zweifel an Collins Unwissenheit. Hatte er nur einen Verdacht, oder wußte er viel mehr? Wäre es nicht sogar denkbar, daß Collin auf ihn geschossen hatte? Oder daß er den Auftrag gegeben hatte, auf ihn zu schießen?
    Die Messer und Gabeln klangen in der Stille beinahe nervtötend laut. Nachdenklich stocherte Brodka im Rotkohl, der purpurviolett auf seinem Teller leuchtete. Da war sie wieder, die Farbe, die ihm solches Unbehagen bereitete.
    »Es schmeckt dir wohl nicht?« unterbrach Juliette das peinliche Schweigen und lächelte Brodka an. Kaum hatte sie ausgesprochen, erstarrte ihr Lächeln.
    Auch Brodka war nicht entgangen, daß sie ihn geduzt hatte. Deshalb erwiderte er rasch und überschwenglich: »Aber nein, das Essen ist vorzüglich, gnädige Frau. Ich esse schweigend und mit Andacht, glauben Sie mir.« Eine ziemlich dämliche Bemerkung, fand er, aber etwas Besseres war ihm nicht eingefallen.
    »Wirklich hervorragend«, pflichtete der Professor mit hinterhältigem Grinsen bei, wobei er abwechselnd Juliette und ihren Gast anschaute.
    Verzweifelt versuchte Brodka diese Geste zu deuten. Er war überzeugt, ein guter Menschenkenner zu sein und an der Mimik einer Person deren Absichten deuten zu können. Doch so eingehend er sein Gegenüber auch musterte, er kam zu keinem Ergebnis. Collin ließ mit keiner Regung erkennen, ob er Juliettes Versprecher bemerkt hatte.
    Das Dinner endete schweigend. Während Juliette den Tisch abräumte, bat Collin seinen Gast in das linker Hand gelegene Herrenzimmer, einen Raum mit dunkler Möblierung aus der Gründerzeit, kalt und ungemütlich. Es gab Cognac, doch Brodka lehnte dankend ab. Ebenso die Zigarre, die der Professor ihm aus einem spiegelblank polierten Mahagonikästchen anbot.
    »Wissen Sie«, meinte Collin schließlich, während er sich umständlich eine Zigarre anzündete, »Juliette ist eine wunderbare Frau. Sie ist klug, sieht gut aus, und sie ist in der Lage, sich ihr eigenes Geld zu verdienen … gegen meinen Willen übrigens. Kurz, sie ist eine Frau, wie man sie selten findet. Ich liebe sie sehr. Ich würde mich umbringen, wenn sie mich wegen eines anderen verlassen würde. Aber zuvor würde ich diesen anderen umbringen.«
    Obwohl er ganz ruhig sprach, hämmerten Collins Worte wie die Kanzelrede eines Bußpredigers auf Brodka ein. Brodka wußte nicht, ob die Bemerkung des Professors nur zufällig gewesen war oder ob er ihr Verhältnis längst durchschaut hatte und nur mit ihm spielte wie die Katze mit der Maus. Dieser Mann erschien ihm undurchsichtig, ja, unheimlich. Er war, so schien es Brodka, zu allem fähig, auch daß er eine Pistole aus der Tasche zog, auf ihn zielte und abdrückte.
    Doch noch gab es den kleinen Funken Hoffnung, daß alles nur Einbildung war und daß Collin keine Ahnung davon hatte, daß seine Frau ihn betrog. Deshalb wartete Brodka schweigend, was geschehen würde. Der Rauch der im Aschenbecher abgelegten Zigarre stieg ihm unangenehm in die Nase. Er wich Collins Blick aus und tat, als betrachte er mit Interesse die alte Standuhr, deren Pendel im Rhythmus des Sekundenschlags hin und her schwang.
    Brodka schwieg. Er schwieg mit der Beharrlichkeit eines ertappten Jungen, der ergeben darauf wartet, gemaßregelt zu werden, doch insgeheim legte er sich bereits die Antworten parat, falls Collin ihn zur Rede stellen sollte.
    Eine Frau wie Juliette, würde er Collin sagen, habe das Recht auf einen ganzen Kerl, einen Mann, der sich nicht zu Tode soff und der sie auch sexuell befriedigte. Mit einer luxuriösen Villa, gesellschaftlichem Prestige und der bloßen Bekundung, von ihrem Mann geliebt zu werden, ließe sich so etwas nicht wettmachen. Wie er sich denn ihre gemeinsame Zukunft vorstelle, würde er Collin fragen. Ob es nicht besser sei, in eine Scheidung einzuwilligen?
    Brodka staunte über seinen aufflammenden Mut, doch diese Fragen mußten irgendwann beantwortet werden. Warum nicht hier und jetzt?
    Da ihm das Schweigen allmählich unerträglich wurde, erhob sich Brodka, räusperte sich und erklärte: »Also gut, Professor. Machen wir uns nichts vor. Wir sind erwachsene Menschen,
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