Purpurschatten
Sekretär langte in seine Jackentasche und holte ein daumendickes Etwas hervor. Er legte es auf den Tisch und sagte: »Das ist der Sender, mit dem der Schuß ausgelöst wird. Ein leichter Druck auf das eine Ende und – peng!« Die Augen Polnikovs leuchteten wie der Stern von Bethlehem.
»Wenn ich Sie recht verstehe, Polnikov« – Kurienkardinal Sperling machte ein nachdenkliches Gesicht –, »brauchen wir für das Attentat gar keinen Schützen …?«
»Natürlich nicht!« Polnikov gab Smolenski einen Wink. Der entnahm seinen Unterlagen einen Stoß Fotos und reihte sie neben- und untereinander auf. »Das sind Pressefotos vom Ostersegen ›Urbi et Orbi‹ in den letzten zwanzig Jahren. Wie deutlich zu sehen ist, steht die Zielperson, auch der Vorgänger, auf allen Bildern beinahe zentimetergenau an derselben Stelle. Vergleichen Sie den beidseitigen Abstand zur Tür, zu den Säulen und Pilastern – er ist auf allen Fotos der gleiche. Das bedeutet, das Tokarev-Gewehr kann bereits einen oder zwei Tage vor dem Tag X auf der unteren Plattform festgeschraubt, mit Hilfe des Zielfernrohres justiert und mit der N3-Patrone geladen werden. Mit einer Plane abgedeckt, ist das LZ 803 so unsichtbar wie der Heilige Geist.«
»Genial!« bemerkte Kurienkardinal Sperling anerkennend. »Bleiben nur noch zwei Fragen: Wer soll den Schuß wann auslösen?«
Da erhob sich Kardinalstaatssekretär Smolenski und legte die Hände ineinander, als wollte er eine Ansprache halten. Doch er sagte nur ein Wort: »Ich.«
Sperling zeigte sich nicht überrascht, stellte Smolenski jedoch die Frage: »Und wo werden Sie sich dabei aufhalten?«
»Ich werde mich nicht gut fühlen und die Übertragung in meinem Büro im Fernsehen verfolgen. Sobald die Zielperson ihre Position einnimmt, drücke ich auf den Knopf.«
Kurienkardinal Sperling blickte zu Smolenskis Sekretär hinüber. »Ist das technisch sicher?«
»So sicher wie das Amen in der Kirche«, antwortete dieser.
K APITEL 15
Spät am Abend kehrte Juliette nach Nemi zurück. Nachdem die Leidenschaft verflogen war, verspürte sie Gewissensbisse. Sie hatte sich sogar Ausreden für ihr spätes Kommen zurechtgelegt. Doch als Brodka erfuhr, daß sie den Tag in Rom verbracht hatte, erkundigte er sich sofort, ob sie etwas Neues erfahren habe.
»Leider nicht. Und du?« erkundigte Juliette sich vorsichtig. »Warst du erfolgreich?«
Brodka rieb sich das Kinn. »Immerhin haben wir diesen Padre vom Campo Santo gefunden. Sie haben ihn in ein Altersheim für Mönche abgeschoben.«
»Warum?« fragte Juliette.
»Weil irgend jemand ihn aufs Abstellgleis schieben wollte. Alles spricht dafür, daß es wirklich meine Mutter ist, die auf dem Campo Santo beigesetzt wurde. Der Padre behauptet, er habe die Beisetzung mit eigenen Augen gesehen. Und das ist wohl auch der Grund für seine Verbannung in die Sabiner Berge.«
»Was weiß dieser Mönch?«
»Immerhin soviel, daß ein Leichenwagen mit Münchner Kennzeichen vorfuhr.«
»Und du meinst, das ist Beweis genug?«
»Ja. Bleibt nur die Frage nach dem Warum.«
»Hast du schon mal daran gedacht, daß deine Mutter Smolenskis Geliebte gewesen sein könnte? Ich meine, zu einer Zeit, als er noch kein Kardinal war.«
»Das ist doch absurd! Meine Mutter bezeichnet Smolenski in einem ihrer Briefe als Teufel. Sie muß ihn aus irgendeinem Grund gehaßt haben.«
»Eben. Man kann nur hassen, was man einmal geliebt hat.«
Brodka sah Juliette lange schweigend an.
Noch immer plagte sie das schlechte Gewissen. Um ihre Mundwinkel spürte sie ein Zittern. Plötzlich hatte sie Angst, Brodka zu verlieren. Warum schaute er sie so durchdringend an?
Schließlich aber sagte Brodka zu Juliettes Erleichterung: »Es steht nicht einmal fest, daß meine Mutter Smolenski gekannt hat. Nein, nach meiner Auffassung steckt etwas ganz anderes dahinter.«
»Und was?«
Brodka zuckte die Achseln.
»Weißt du schon, daß Meinardi, der Museumswärter, verhaftet wurde?« fragte Juliette und hätte sich im nächsten Moment am liebten die Zunge abgebissen.
»Woher willst du das wissen?«
»Aus … aus der Zeitung«, log sie.
»Laß mal sehen.«
»Ich habe sie im Café liegen lassen.«
»Mit welcher Begründung wurde der Mann verhaftet?«
»Er wollte bei einer Bank 25 Millionen Lire einzahlen.«
»Das ist viel Geld für einen Mann wie Meinardi, aber noch lange kein Grund, ihn zu verhaften.«
»Die Scheine waren gefälscht.«
Wieder rieb Brodka sich nachdenklich das Kinn. »Das war
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