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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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sie gekommen war, verschwand die Nonne aus dem Zimmer, um nach kurzer Zeit abermals zurückzukehren. Sie trug ein Tablett mit einer Kanne und einer Schale Suppe, die nach Brühwürfeln roch. Brodka verspürte Hunger.
    Wann er denn endlich einen Arzt zu Gesicht bekomme, erkundigte er sich vorsichtig. Die Nonne reagierte heftig, beschimpfte ihn als Querulanten und erklärte, er würde noch früh genug erfahren, was mit ihm geschehe. Allein ihr Tonfall genügte, Brodka von weiteren Fragen abzuhalten. Allerdings bestärkte ihn der Vorfall nur noch mehr in seiner Absicht, bei nächstbester Gelegenheit die Flucht zu ergreifen.
    Hungrig und unter Aufsicht löffelte er seine Suppe. Sie schmeckte scheußlich, doch unter den bitterbösen Blicken der Nonne hätte ihm nicht einmal seine Lieblingsspeise gemundet. Kaum hatte er die Schüssel geleert, nahm sie das Tablett und entschwand.
    Wieder war Brodka allein mit sich und seinen Gedanken, Ängsten und Sorgen. Warum meldete sich Juliette nicht? Er konnte sich nur noch daran erinnern, daß sie zu ihm gesagt hatte: »Keine Angst, ich bin bei dir«, als die Polizei ihn in der Klinik eingeliefert hatte. Und einer der Weißkittel hatte gesagt: »Ist das nicht der angebliche Schnallenmörder?« Was danach geschah, war in einem tiefen, schwarzen Loch verschwunden.
    Im Laufe des Tages, den Brodka im Bett liegend oder am Fenster stehend verbrachte, kehrten allmählich seine Kräfte zurück. Die Gedanken wurden klarer und die Müdigkeit, die sein Hirn gelähmt hatte, begann zu weichen. Er urinierte in den Behälter unter dem Bett, warf die beiden Kapseln, die er hätte schlucken sollen, hinein und beobachtete, wie sie sich langsam auflösten.
    Er legte sich wieder ins Bett. Hat Juliette sich in den sechs Tagen, die ich geschlafen habe, nicht gemeldet, fragte er sich. Hat sie sich von dir abgewandt, von dem angeblichen ›Schnallenmörder‹, dem Amokläufer in der Kirche, dem vermeintlich Geistesgestörten in der geschlossenen Anstalt? Angst kroch in ihm hoch. Im Geiste sah er Juliette, wie sie sich mit einem anderen vergnügte. In hilfloser Wut knüllte er seine Bettdecke mit beiden Händen zusammen und stieß wilde Verwünschungen aus, verstummte jedoch abrupt, als er Schritte auf dem Flur hörte.
    Die Tür wurde geöffnet, und der Stationsarzt trat an sein Bett. Er war ein schlaksiger, hochgewachsener Mann mit Nickelbrille. Brodka brauche sich keine Sorgen zu machen, erklärte er freundlich; hier seien alle um seine rasche Genesung bemüht. Wie er sich fühle, erkundigte sich der Arzt.
    Er fühle sich gut, erwiderte Brodka und fügte hinzu, daß er froh sei, endlich jemanden gefunden zu haben, mit dem er über seine vermeintliche Krankheit reden könne.
    Doch der Arzt nickte bloß. Dann begann er Brodka am Kopf abzuklopfen. Mit erhobenem Zeigefinger prüfte er seine Augenreflexe. Schließlich erkundigte er sich, ob in der Familie neurologische Erkrankungen bekannt seien.
    Brodka verneinte und beteuerte, er sei absolut kein Fall für die geschlossene Abteilung. Wann er mit seiner Entlassung rechnen könne.
    Die Frage schien den Stationsarzt ebenso zu ärgern wie die Nonne, denn mit energischer Stimme erwiderte er, an eine Entlassung sei überhaupt nicht zu denken, und Patienten wie er würden grundsätzlich in die geschlossene Abteilung überstellt.
    Brodka wollte erklären, wie es zu dem Zwischenfall im Dom gekommen war; aber noch ehe er auch nur ein Wort sagen konnte, hatte der Arzt das Zimmer verlassen.
    Am späten Nachmittag erschien die Nonne mit dem Abendessen, bestehend aus Suppe, Zwieback und Tee, dazu zwei rosafarbene Kapseln. Wieder ließ Brodka die Kapseln geschickt verschwinden; dann löffelte er lustlos die Suppe.
    Die Nacht verbrachte er im Halbschlaf und schmiedete Pläne, wie er seine Flucht bewerkstelligen könnte. Er hatte beobachtet, daß gegen Mittag ein Lieferwagen die Container mit der schmutzigen Wäsche abholte. Wenn es ihm gelänge, sich an einen der Container heranzuschleichen, könnte er sich unter der Wäsche verstecken und so in die Freiheit gelangen.
    Als die Nonne am nächsten Morgen erschien, verfolgte Brodka jede ihrer Bewegungen. Dabei fiel ihm auf, daß sie den Schlüssel zu seinem Zimmer an einem Band unter ihrer Schürze trug.
    Gegen Mittag trat sie erneut ins Zimmer. Und während sie das Tablett auf dem Nachttisch abstellte, stürzte Brodka sich nach vorn, stieß die Nonne aufs Bett und entriß ihr den Schlüssel. Ehe die Schwester begriff, wie ihr

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