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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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gesund?
    Brodka legte die Hände vors Gesicht. Diese Frau im Dom … warum ging sie ihm nicht aus dem Kopf? Wenn er weiter an sie dachte, würde sie ihn wirklich noch in den Wahnsinn treiben.
    Sie war eine Fremde, verdammt noch mal, hämmerte er sich ein. Begreif das endlich!
    Und wo war Juliette? Er wußte nicht einmal, wie lange er im Schlaf zugebracht hatte. Blutunterlaufene Einstiche in beiden Armbeugen waren ein Zeichen, daß man seinem Schlaf nachgeholfen hatte. Bei dem Versuch, die Arme zu heben, fielen sie schlaff und kraftlos herab. Es kam ihm vor, als würde Blei in seinen Adern fließen.
    Er gähnte, doch es blieb eher bei dem Versuch, denn sein Kiefer schmerzte. Unter Aufbietung aller Kräfte ließ er sich aus dem fahrbaren Klinikbett gleiten. Die sieben Schritte bis zum Fenster fielen ihm schwer wie ein Fußmarsch im Gebirge.
    Der Blick nach draußen konfrontierte ihn mit einem Innenhof und einem einstöckigen Gebäude gegenüber. Eine Reihe Aluminium-Container, gefüllt mit schmutziger Wäsche, wartete auf Abholung. Kein schöner Anblick.
    Der weiße Schrank neben seinem Bett war verschlossen. Wo war seine Kleidung, sein Geld, seine Brieftasche? Als er im Gang vor seinem Zimmer Schritte hörte, schlüpfte er so schnell ins Bett zurück, wie er konnte.
    In der Tür erschien eine Nonne mit weißer Flügelhaube. Als sie Brodka wach fand, lächelte sie freundlich und erkundigte sich nach seinem Befinden.
    Erst jetzt bemerkte Brodka, daß ihm das Sprechen schwerfiel. Statt zu antworten, stellte er seinerseits die Frage, wie lange er im Schlaf zugebracht habe.
    Sechs Tage, bedeutete die Schwester mit den Fingern, als ob er taub wäre.
    Brodka erschrak. Sechs Tage Tiefschlaf? Damit hatte er nicht gerechnet. Sechs Tage sind eine lange Zeit, in der viel passieren kann. Ungehalten fragte er nach seiner Kleidung und wann er endlich entlassen werde.
    Der freundliche Gesichtsausdruck der Nonne schwand; sie blickte ihn beinahe boshaft an, und ihre anfängliche Güte schlug augenblicklich in Strenge um. Er sei nicht im Erholungsheim, meinte sie schroff sondern in einer geschlossenen Anstalt. Über die Dauer des Aufenthalts habe der Arzt zu entscheiden, nicht der Patient. Und seine Kleidung und die Wertsachen würden sicher verwahrt.
    Beinahe hätte Brodka sie angeschrien, daß er nicht verrückt sei, sondern daß unerklärliche Umstände ihn in diese verhängnisvolle Situation getrieben hätten. Aber wie sollte er dieser Frau das beibringen? Sollte er sagen, er wäre einem Trugbild aufgesessen? Hätte ihn das nicht noch tiefer in den Sumpf gezogen?
    Also schwieg er, sank förmlich in sich zusammen und wagte nicht zu widersprechen. In seinem Kopf kreiste nur ein Gedanke: Flucht.
    Wortlos verließ die Nonne das Zimmer und ließ Brodka in tiefer Ratlosigkeit zurück. Er fühlte sich zu schwach und zu durcheinander, um einen klaren Gedanken zu fassen. Er dachte nur: Wie tief soll ich denn noch fallen? Brodka in der Klapsmühle! Er lachte verzweifelt auf und erschrak vor seiner eigenen Stimme.
    In diesem Augenblick kam die Nonne wieder ins Zimmer. Mit strengem Blick reichte sie Brodka ein Glas Wasser und zwei rosafarbene Kapseln.
    Brodka nahm die beiden Kapseln in die hohle Hand, und während er unter dem scharfen Blick der Nonne so tat, als schluckte er sie, ließ er sie unbemerkt in den Ärmel seines Kittels fallen. Es war mehr ein Reflex als nüchterne Überlegung.
    Die Kapseln, meinte die Nonne mit einem unerwarteten Anflug von Freundlichkeit, würden seine ›schlimmen Gedanken‹ vertreiben, wie sie sich ausdrückte. Als sie die Tür hinter sich zuzog, hörte Brodka das Geräusch eines Schlüssels, der im Schloß gedreht wurde. Erst jetzt entdeckte er den Spion in der Tür – eine häßliche kleine Linse.
    Brodka war allein. Gütiger Himmel, dachte er, sechs Tage hast du geschlafen. Er vermißte seine Uhr; denn er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Einige Zeit dämmerte er vor sich hin, wobei er auf jedes Geräusch lauschte, das von draußen kam, und fragte sich, wie er weiter vorgehen sollte.
    Irgendwann, nach Stunden des Grübelns und tiefer Ratlosigkeit, wurde der Schlüssel im Schloß seiner Zimmertür wieder gedreht, und abermals erschien die Nonne mit der Flügelhaube. Ihr Blick war streng, ihr Auftreten geschäftsmäßig. Sie warf einen Blick in den Topf unter dem Bett, indem sie den Deckel hob. Brodka hatte den Behälter noch gar nicht bemerkt, geschweige denn benutzt. Ekel stieg in ihm auf!
    Wortlos wie

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