Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
Vom Netzwerk:
geschah, war er bereits aus dem Zimmer, hatte die Tür hinter sich zugeschlagen und den Schlüssel von draußen umgedreht. Gedämpft hörte er die Hilfeschreie der Frau; dann hämmerte sie mit den Fäusten an die Tür.
    Vor Brodka tat sich ein langer, weißgetünchter Gang auf, an dessen Ende zwei Flügeltüren den Weg versperrten. Er vermutete, daß sie verschlossen wären, und rannte in die entgegengesetzte Richtung bis zu einem Treppenabsatz.
    Das war sein Verhängnis.
    Auf dem Treppenabsatz kam ihm der Stationsarzt mit ausgebreiteten Armen entgegen, als hätte er ihn erwartet. Im Nu waren zwei, drei Helfer zur Stelle, die beruhigend auf ihn einsprachen wie auf ein störrisches Tier, während sie ihn zurück auf sein Zimmer führten.
    Dort wartete die Nonne mit flammend rotem Gesicht. Sie warf Brodka bitterböse Blicke zu, als habe der Teufel persönlich ihr Gewalt angetan. Hastig ordnete sie ihre Kleidung, ehe sie mit einem letzten giftigen Blick auf ihren Patienten den Raum verließ.
    Von nun an wurde Brodka nicht mehr von der Nonne, sondern von einem stämmigen Pfleger betreut, dem er körperlich unterlegen war.
    »Herr Brodka? Herr Brodka, Sie haben Besuch.«
    Brodka schreckte aus dem Halbschlaf hoch.
    »Besuch?« fragte er schlaftrunken. »Wer?«
    Der Pfleger lächelte und reichte ihm einen weißen Bademantel und Pantoffeln. »Eine sehr attraktive Dame«, sagte er.
    Juliette, fragte Brodka sich aufgeregt. Lieber Himmel, laß es Juliette sein!
    Der Besucherraum lag ein Stockwerk tiefer hinter einer undurchsichtigen Glastür. Im Inneren saß Juliette an einem schlichten Tisch mit zwei Stühlen. Sie sprang auf, als Brodka in Begleitung des Pflegers durch die Tür trat, und fiel ihm um den Hals. Allein der Duft von Juliettes Haar wirkte auf Brodka wie eine belebende Droge. Bewußt versuchte er, die Tristesse der vergangenen Tage zu verbergen, und in seiner Verlegenheit sagte er: »Gut siehst du aus.«
    Juliette litt mehr unter diesen Worten, als Brodka ahnen konnte; denn sie fühlte sich hundeelend, und der tägliche Blick in den Spiegel lieferte nur die Bestätigung, daß ihr inneres Befinden an ihrem Äußeren Spuren hinterlassen hatte.
    »Es geht mir auch gut, Brodka«, log Juliette und verschwieg ihm wohlweislich, daß sie unter Verdacht stand, mit Kunstfälschungen zu handeln. Als sie Brodkas skeptischen Blick erkannte, fügte sie hinzu: »Soweit es mir angesichts deiner Schwierigkeiten gutgehen kann.«
    Als sie an dem kleinen Tisch in der Mitte des Raumes Platz nahmen, rang Brodka sich ein mühsames Lächeln ab und sagte: »Ich dachte schon, du hättest mich fallenlassen. Ich könnte es dir nicht mal verdenken.«
    »Warum sollte ich?« fragte Juliette und legte ihre Hand auf seinen ausgestreckten Arm.
    »Nun ja«, meinte Brodka verbittert, »wer pflegt schon freiwillig Umgang mit einem Kerl aus der geschlossenen Anstalt. Einem Irren, dem seine tote Mutter über den Weg läuft.«
    Juliette erwiderte zornig: »Du weißt, daß ich dich liebe, Brodka. Und du solltest deine Situation nicht durch dumme Sprüche verschlimmern. Du bist so normal wie ich oder der Pfleger da drüben, und das weißt du.«
    Brodka senkte den Kopf; dann schaute er Juliette unter gesenkten Lidern an und sagte ganz leise: »Damals, im Stephansdom … ich glaubte ganz sicher, daß die Frau meine Mutter war. Inzwischen weiß ich natürlich, daß meine Nerven mir einen Streich gespielt haben. Es ist einfach zuviel passiert in letzter Zeit. Aber ist das ein Grund, mich hier festzuhalten?«
    Juliette drückte Brodkas Hände und schaute ihm fest in die Augen. Schließlich sagte sie ebenso leise, aber mit Nachdruck: »Mir wäre es genauso ergangen wie dir. Schließlich habe ich die Frau ebenfalls gesehen. Ich kannte deine Mutter zwar nicht, aber dann habe ich das hier gefunden …«
    Sie griff nach ihrer Handtasche. Der Pfleger, der das Gespräch schweigend verfolgt hatte, reckte den Hals, damit ihm ja nichts entging. Als Juliette das Mißtrauen des Mannes bemerkte, hielt sie ihm demonstrativ ihre geöffnete Tasche hin, damit er hineinschauen konnte. Der Pfleger zeigte sich verlegen. »Entschuldigung«, sagte er und wandte den Blick aus dem vergitterten Fenster.
    Juliette nahm das Foto aus der Tasche und legte es vor Brodka auf den Tisch.
    »Das Bild ist aus deinem Fotoalbum.«
    Brodka betrachtete die Fotografie mit weit aufgerissenen Augen. Juliette konnte sich vorstellen, was in ihm vorging.
    »Kannst du jetzt verstehen, warum ich im Dom so

Weitere Kostenlose Bücher