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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Alkoholsucht war Collin viel zu intelligent, als daß er eine Sache einfädelte, bei der zuallererst er selbst in Verdacht geriet.
    Zusammen mit Juliette forstete Brodka am folgenden Tag die Einladungsliste der Vernissage durch. Brodka hinterfragte jeden Namen, und Juliette gab ihm Auskunft, soweit sie über ihre Klientel Bescheid wußte.
    Daß unter den Gästen ein schwarzes Schaf gewesen sein könnte, wollte sie nicht ausschließen, denn manche Besucher kannte sie nur dem Namen nach, der auf den Schecks stand, die sie ausstellten. Doch in dieser Hinsicht hatte es nie irgendwelche Probleme gegeben. Die meisten waren seit Jahren ihre Kunden.
    »Und wer war zum erstenmal dein Gast?« erkundigte sich Brodka, nachdem sie am Ende der Liste angelangt waren.
    »Die Leute waren alle mindestens schon einmal bei mir«, erwiderte Juliette. »Ich habe keinen Fremden eingeladen, und keine neuen Kunden. Das heißt …«
    »Ja?« Brodka schaute sie erwartungsvoll an.
    »Auf der Liste fehlen die Namen der Journalisten. Du siehst ja, die Einladungen gingen an die Redaktionen, wie es üblich ist. Da waren diese Redakteurin vom Kunstmagazin ›Arte‹ und außerdem zwei Fotografen.«
    »Den älteren kannte ich«, erwiderte Brodka. »Er heißt Hagen und arbeitet für den Feature-Dienst von dpa. Und der andere?«
    »Keine Ahnung. Aber er ist mir aufgefallen, weil er herumrannte wie ein aufgescheuchtes Huhn und so viele Bilder machte, als müßte er damit die Sonderausgabe einer Illustrierten füllen.«
    »Und wo sind die Fotos erschienen?«
    »Nirgends, glaube ich.«
    »Wie heißt dieser begabte Reporter?«
    Juliette zog die Schultern hoch. »Seinen Namen habe ich vergessen. Ich weiß nur noch, daß er gesagt hat, er würde für das Magazin ›News‹ arbeiten.«
    »›News‹? Ausgerechnet! Als würde ›News‹ Bilder von einer Vernissage bringen!«
    »Warum nicht?« fragte Juliette verdutzt.
    Brodka erwiderte nichts, denn er hatte bereits zum Telefon gegriffen und wählte die Nummer des ›News‹-Chefredakteurs Dorn. Von Dorn erfuhr er, was er bereits vermutet hatte: ›News‹ hatte keinen Auftrag vergeben, bei der Vernissage Fotos zu schießen.
    »Merkwürdige Geschichte«, murmelte Brodka nachdenklich.
    Juliette, die noch immer nicht begriffen hatte, worauf er hinauswollte, fragte: »Wieso merkwürdig? Ich habe mich gefreut, daß der Mann gekommen war. Ich dachte, die Veröffentlichung seiner Bilder wäre eine gute Werbung für meine Galerie.«
    Brodka lachte ein wenig bitter. Er versuchte sich zu erinnern, wie der Fotograf ausgesehen hatte. Doch der Vorfall mit dem betrunkenen Collin überdeckte jede Erinnerung an den Abend.
    Statt dessen erkundigte sich Brodka telefonisch bei dpa, wann und wo er Hagen treffen könne, und erfuhr, daß der Fotograf sich um die Mittagszeit in seinem Büro aufhielt.
    »Komm!« sagte Brodka. »Unterwegs erkläre ich dir alles.«
    Die Presseagentur war in einem großen Altbau in der Innenstadt untergebracht. Ein freundlicher Portier am Eingang ließ sie passieren, nachdem Brodka seinen Namen genannt hatte. Zweiter Stock links, zweite Tür.
    Hagen war ein älterer Herr kurz vor Erreichen der Pensionsgrenze. Er kleidete sich wie ein Mann von englischem Landadel; sein silberfarbener Schnauzbart paßte hervorragend in dieses Bild. Sein Talent als Fotograf hielt sich in Grenzen, weshalb er in der Hauptsache bei Pressekonferenzen und gesellschaftlichen Events eingesetzt wurde. Besser als seine Fotos war ohnehin seine Kamera, eine Leica M3 aus den fünfziger Jahren, auf die er – zu Recht – große Stücke hielt.
    Brodka erklärte Hagen, worum es ging, und fragte ihn, ob er sich an den anderen Fotografen erinnere, der bei der Vernissage dabeigewesen war.
    »Kaum«, erwiderte Hagen. »Ich hatte den Mann noch nie zuvor gesehen, und später auch nicht mehr. Ich weiß allerdings noch, daß ich mich über den Feuereifer gewundert habe, mit dem der Bursche ans Werk ging. Er hat wie wild drauflosgeknipst und Dinge fotografiert, die ich selbst nie aufgenommen hätte.«
    »Dürfte ich mir Ihren Film von der Vernissage ansehen?« fragte Brodka.
    Hagen hatte nichts dagegen und schaltete den Leuchttisch ein.
    Mit einer Lupe betrachtete Brodka jedes einzelne Negativ. Auf mehreren Bildern war Juliette zu erkennen, einmal sogar Brodka selbst mit finsterem Gesicht. Aber es war kein Foto darunter, das ihnen hätte weiterhelfen können. Doch kurz vor dem Ende des Films entdeckte Brodka, worauf er gehofft hatte: ein

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