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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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ihnen vorbei, doch Juliette schenkte dem Gedränge keine Beachtung. Für einige Augenblicke verspürte sie ein tiefes Glücksgefühl.
    Brodka war wieder da.
    Wie vergessen stand Titus ein wenig abseits. Ihm machten die ungewohnte Umgebung und die Tatsache, sich in aller Öffentlichkeit aufzuhalten, zu schaffen. Er blieb ernst, auch als Juliette ihm lächelnd die Hand reichte.
    Vor dem Bahnhofsgelände, dessen Vorplatz von einem großen Schirm aus Beton überspannt wird, erklärte Brodka, er werde Titus fürs erste in einer kleinen Pension in der Landwehrstraße unterbringen. Sie trug den Namen ›Tausendschön‹ und wurde häufig von Journalisten und Künstlern besucht, die für mehrere Tage in der Stadt zu tun hatten.
    Brodka kannte den Besitzer und konnte sicher sein, daß dieser keine Einwände hatte, wenn Titus sich unter falschem Namen eintrug, solange Brodka die Rechnung beglich. Titus hatte dies zur Bedingung gemacht, wenn er Brodka nach München begleite.
    Nachdem sie Titus in der Pension untergebracht hatten, fuhren sie auf direktem Weg zu Brodkas Wohnung. Doch als sie sich zum erstenmal seit Wochen allein und ungestört gegenübersaßen, entstand eine seltsame Atmosphäre der Betretenheit, ja Peinlichkeit zwischen ihnen. Sie hatten sich viel zu erzählen, doch keiner von beiden wagte einen Anfang.
    Schließlich beugte sich Brodka über den Tisch. »Juliette, liebst du mich noch?« fragte er. »Nach allem, was war?«
    Juliette verstand Brodkas Frage so als wolle er jetzt, in diesem Augenblick, mit ihr schlafen. Aber genau das wollte sie nicht. Sie konnte nicht, denn ihr Kopf war voll von wirren Gedanken.
    »Ich kann nicht!« brach es plötzlich aus ihr heraus. »Du mußt mich verstehen, Brodka, bitte!«
    Brodka sagte eine Weile nichts. Dann holte er tief Luft, und mit leiser, kaum hörbarer Stimme erwiderte er: »Ich hätte es mir denken können. In Wahrheit bist du auch der Ansicht, daß ich nicht mehr ganz richtig im Kopf bin.«
    Juliette war empört. »Was redest du für einen Unsinn, Brodka. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich liebe dich, ich brauche dich …«
    »Aber du sagtest doch eben …«
    »Daß ich mit dir jetzt nicht schlafen kann. Kannst du das nicht verstehen, Brodka?«
    Brodka blickte irritiert. »Ich habe dich nicht gefragt, ob du mit mir schlafen willst, ich habe dich gefragt, ob du mich noch liebst!«
    Im nächsten Augenblick lagen sie sich in den Armen und bedachten einander mit Zärtlichkeiten, die sich rasch in unbändige Lust verwandelten.
    Wie lange hatten sie darauf gewartet? Wie oft, wie sehr hatten sie eine Situation wie diese herbeigesehnt?
    Behutsam, als könnte er etwas falsch machen, strich Brodka über Juliettes Haar, und sie küßte ihn voller Verlangen, klammerte sich an ihn und preßte ihre Brüste gegen seinen Leib.
    Juliette spürte seine heftige Erregung. Sie nestelte an seiner Kleidung, und bald gaben beide sich ihrer Lust hin.
    Schließlich saß Juliette nackt auf Brodka, der rücklings auf dem Boden lag; sie hielt seinen Körper mit den Schenkeln gefangen und stieß im Rhythmus ihrer Bewegungen lustvolle Schreie aus. Brodka seinerseits nahm Juliette mit aller Leidenschaft, aber auch mit aller Liebe, die er für sie empfand.
    Als sie später schwer atmend und glücklich nebeneinander auf dem Teppich lagen, als jeder den anderen in seinem Inneren nachklingen ließ wie einen endlosen Glockenschlag, flüsterte Juliette leise: »Ich liebe dich, Brodka. Ich werde dich immer lieben.«
    Da wußte Brodka, daß sich an ihrem Verhältnis nichts geändert hatte.
    Weder Brodka noch Juliette hatten bis zu diesem Zeitpunkt erzählt, was inzwischen vorgefallen war. Als Juliette den Einbruch in der Spedition erwähnte, bei dem offenbar nur die Kleidung seiner Mutter durchwühlt worden war, stiegen erneut Zweifel in Brodka auf.
    Titus, der Brodkas Mutter nicht kannte und bei dem peinlichen Zwischenfall im Stephansdom schnell und heimlich davongeschlichen war, hatte sich während ihrer gemeinsamen Zugfahrt nach München, als sie über das Thema diskutierten, in Zurückhaltung geübt. Er meinte zu Recht, er kenne Brodka zu wenig, um beurteilen zu können, ob er zu einem psychischen Kurzschluß dieser Art fähig sei. Im übrigen hatte Brodka den Eindruck, daß Titus irgend etwas verschwieg. Es kam ihm jedoch so vor, als wären für den undurchsichtigen Expriester Erlebnisse dieser Art gar nicht so ungewöhnlich.
    Seither befand sich Brodka in einer gewissen Ratlosigkeit.

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