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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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gestochen scharfes Negativ, auf dem der ominöse Fotoreporter zu sehen war.
    Er bat Hagen um eine Vergrößerung von Negativ Nr. 28.
    »In fünf Minuten haben Sie das Foto«, meinte Hagen. »Entschuldigen Sie mich einen Moment.« Dann verschwand er.
    »Hast du gehört?« sagte Brodka, während sie in Hagens Büro warteten. »Der Kerl hat Dinge fotografiert, die mit der Ausstellung überhaupt nichts zu tun hatten.«
    Juliette verzog ihr hübsches Gesicht, als würde sie an Brodkas Worten zweifeln. »Weißt du«, meinte sie schließlich, »wir dürfen uns da nicht in irgendwas verrennen, das sich im nachhinein als Irrtum erweist. Vielleicht kam der Fotograf von irgendeiner anderen Zeitung. Du hast doch einmal selbst gesagt: ›Wo es kostenlos zu essen und zu trinken gibt, sind Fotoreporter nicht weit.‹«
    Sie lachten beide. Dann kam Hagen zurück und legte das gewünschte Bild im Format 20 x 30 vor Brodka auf den Tisch.
    Brodka beugte sich darüber. Der Fotograf auf dem Foto war etwa dreißig Jahre alt, hatte kurzes dunkles Haar und eine leicht gekrümmte Hakennase. Die Kamera und das Blitzgerät, die vor seiner Brust baumelten, wirkten nicht sehr professionell. Er schob das Bild zu Juliette hin. »Kennst du ihn vielleicht?«
    Juliette betrachtete das Foto mit zusammengekniffenen Augen. Nach einer Weile antwortete sie: »Nein. Ich kenne zwar die meisten Leute auf dem Bild, aber einige sind mir völlig unbekannt. Den Fotografen habe ich nie gesehen.«
    Auch Hagen schaute sich noch einmal das Foto an; aber auch er schüttelte nur den Kopf und hob die Schultern.
    Brodka hatte gehofft, daß sie den Fotoreporter auf dem Bild identifizieren und auf diese Weise einen Hinweis bekommen könnten. Enttäuscht bedankte er sich bei Hagen für die schnelle Hilfe.
    »Keine Ursache«, sagte Hagen und reichte Brodka einen Umschlag. Während Brodka das Foto hineinschob, fiel sein Blick auf eine Gestalt am linken Bildrand, die ihm bekannt vorkam.
    Es war, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Für einen Moment schloß er die Augen und schwankte leicht.
    Juliette bemerkte Brodkas seltsame Reaktion. Besorgt fragte sie: »Ist dir nicht gut?«
    Brodka reichte ihr das Foto. »Kennst du den Kerl?«
    »Titus!« rief Juliette entsetzt. Kein Zweifel, es war Titus: dasselbe rosarote Gesicht, dieselbe blonde Perücke. »Jetzt weiß ich, wieso der Mann mir im Stephansdom so bekannt vorkam!«
    Was hatte Titus auf Juliettes Vernissage zu suchen gehabt? Offenbar hatte er sich schon lange vor ihrer Begegnung in Wien für Brodka interessiert.
    Und er hatte von Juliette gewußt! Wahrscheinlich auch davon, daß er, Brodka, ihr Liebhaber war. Aber wenn Titus davon gewußt hatte, dann spielte er ein falsches Spiel.
    Was, um alles in der Welt, mochten diese Leute noch alles wissen?
    Auf der Straße vor der Agentur erklärte Brodka, er wolle Titus in seiner Pension aufsuchen; Juliette solle zu Hause auf ihn warten.
    Die Pension Tausendschön in der Landwehrstraße war nicht weit entfernt, und so entschloß sich Brodka, den Weg zu Fuß zurückzulegen. Der Verkehrslärm und die vielen Menschen, die um die Mittagszeit unterwegs waren, empfand er nicht als störend wie sonst – im Gegenteil. Sie lenkten ihn von seinen trüben Gedanken und den tausend Fragen ab, die ihm durch den Kopf gingen.
    »Guten Tag, Herr Brodka.« Der junge Mann am Empfang der Pension begrüßte ihn mit Namen, was Brodka verwunderte; dann aber erinnerte er sich, daß Titus' Zimmer auf seinen Namen vermietet war.
    »Ich möchte Herrn Titus sprechen«, sagte Brodka höflich.
    Der junge Mann im schwarzen Anzug tippte auf eine Computertastatur; dann schaute er auf und meinte: »Tut mir leid, der Herr ist heute morgen abgereist. Darf ich Ihnen die Rechnung aushändigen?«
    »Abgereist?« Brodka runzelte die Stirn. »Das ist nicht möglich.«
    »Wenn ich's Ihnen sage. Gegen sieben Uhr dreißig«, erklärte der junge Mann, nachdem er sich auf dem Monitor vergewissert hatte. »Zahlen Sie bar oder mit Karte?«
    Es hätte nicht viel gefehlt, und Brodka wäre dem penetranten Portier an die Gurgel gefahren; er besann sich im letzten Augenblick aber eines Besseren, warf dem Schnösel seine Visacard hin, unterschrieb eine Quittung und verließ grußlos die Pension.
    In der Fußgängerzone, die sich in München nicht im geringsten von den Fußgängerzonen anderer deutscher Städte unterschied, aß Brodka eine Bratwurst, die genauso schlecht schmeckte wie in allen vergleichbaren

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