Purpurschatten
Kinder durchzubringen: indem sie die sieben Jungen auf sieben verschiedene Priesterseminare verteilte. Für die beiden Mädchen konnte sie gerade noch selbst sorgen.
Wie sich später herausstellte, war Smolenskis Vater nicht tot, sondern hatte die Gunst der Stunde genützt, um die vielköpfige Familie zu verlassen. Seine Tat wäre vermutlich verborgen geblieben, hätte er nicht im Jahre 1933 Schlagzeilen gemacht, als er eine Prostituierte, mit der er seit Jahren zusammenlebte, mit einem Messer zerstückelte und die Leichenteile im Tagesabstand in den Fluß warf.
Der junge Smolenski war nie damit fertiggeworden, weder durch die ihm anerzogene Frömmigkeit noch durch ein ausschweifendes Leben, dem er sich bisweilen hingegeben hatte. Nun, im Alter, erlangte er wahre Befriedigung nur dienstags im Hause Fasolino.
Sein Besuch galt freilich nicht Signore Fasolino, sondern dessen Frau Anastasia, mit der sich am genannten Tag eine seltsame Wandlung vollzog.
Anastasia empfing Smolenski in einem Boudoir im zweiten Stock des Hauses, zu dem ihr Mann Alberto keinen Zutritt hatte, obwohl ihm durchaus bekannt war, was dort in seiner Abwesenheit vor sich ging. Wie jeden Dienstag trug Anastasia einen langen Hausmantel aus fließender schwarzer Seide, der vorne offenstand und ein wenig Einblick gewährte auf das, was sich darunter verbarg. Albertos Frau war nicht mehr die jüngste, doch ihre pralle Weiblichkeit und die in ihrem Charakter verwurzelte herrische Art wirkten auf gewisse Männer äußerst anziehend.
So auch auf Smolenski. Der entledigte sich, ohne daß es zwischen den beiden zu einem erwärmenden Wortwechsel gekommen wäre, seines schwarzen Anzugs und der purpurfarbenen Unterwäsche und stand plötzlich, nackt und verschämt, mit dickem Bauch und dünnen Beinen, auf dem rotgemusterten Orientteppich inmitten des Zimmers. Ein neunflammiger Kerzenleuchter auf einer sperrigen Barockkommode hüllte den Raum, der mit plüschigem Mobiliar ausgestattet war, in sanftes Licht.
Man hätte meinen können, Smolenski fröstelte; in Wahrheit war er so erregt, daß er am ganzen Leibe zitterte. Und als Anastasia vor ihn hintrat, ihren Seidenmantel öffnete und zu Boden gleiten ließ, kniete Smolenski nieder wie beim Sanctus und blickte verzückt zu der Herrin empor, als wäre sie die Jungfrau Maria persönlich.
Anastasia trug schwarze Stiefel mit hohen, spitzen Absätzen. Ihre stämmigen Schenkel wurden von schwarzen Strümpfen verhüllt und von breiten Strumpfbändern gehalten, die mit Schleifchen an einem Korsett befestigt waren, das ihren üppigen Körper einzwängte. Ihre Haut war milchigweiß, und ihr grelles Make-up glich einem expressionistischen Gemälde.
Nachdem Anastasia auf einem abgewetzten Fauteuil Platz genommen und die Beine übereinandergeschlagen hatte wie eine billige Hure, kroch Smolenski auf allen vieren auf sie zu und küßte ihre Stiefel. Dieses Treiben bereitete dem Kardinalstaatssekretär so viel Lust und Wonne, daß er schmatzte und grunzte wie ein Schwein vor dem Trog; nach langer Ergötzung, die auch Anastasia nicht kaltgelassen hatte, sank er auf den Teppich und blieb bäuchlings liegen wie nach einem teuflisch guten Orgasmus.
Bis zu diesem Augenblick hatten die beiden kaum ein Wort gesprochen, weil das Ritual, das seit Jahren in dieser Form ablief, keiner besonderen Wünsche oder Erklärungen bedurfte. Es ging rein zeremoniell vor sich wie ein Pontifikalamt; nur war nicht Smolenski der Zeremonienmeister, sondern Anastasia.
»Schaff mir so schnell wie möglich dieses Weibsstück aus Deutschland vom Hals!« geiferte Anastasia unvermittelt. »Sie war hier. Die Frau ist gefährlich – und sie ist intelligent.«
Der nackte Kardinalstaatssekretär stützte sich auf die Unterarme und blickte auf einen zähnefletschenden Keramik-Leoparden in der Ecke. »Glaub mir«, erwiderte er, »sie wird dich nicht mehr lange belästigen. Ich brauche sie noch, denn sie ist eine wichtige Figur in meinem Schachspiel. Ich konnte ja nicht ahnen, daß diese Frau in Rom auftaucht, gleichsam in der Höhle des Löwen.«
Smolenski lachte und erhob sich. Während er sich mit großer Sorgfalt anzog, wobei er die Dienste eines fast blinden Standspiegels in Anspruch nahm, fragte er Anastasia: »Hast du etwas Neues von deinem Neffen gehört?«
Anastasia machte eine wegwerfende Handbewegung und rückte die hervorquellenden Brüste in ihrem Korsett zurecht. »Er hält sich angeblich in München auf. Er hat mich angerufen und um Geld
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