Pusteblume
mit Milo versuchen«, erklärte Liv.
»Aber das hast du sowieso vor«, sagte Tara. »Dazu brauchst du nicht sterbenskrank zu sein. Ich meinerseits, ich würde eine Affäre haben wollen.«
»Mit wem?«
»Weiß nicht. Mit einem, den ich begehrenswert finde, und der
mich
begehrenswert findet! Eine wilde, atemlose, verrückte Affäre, wo man nie aus dem Bett rauskommt und mitten in der Nacht aufwacht, weil man so scharf aufeinander ist.« Sie zitterte lustvoll bei dem Gedanken.
»Heißt das, bei dir und Thomas ist es nicht die ganze Zeit so?« fragte Katherine trocken.
»Du weißt ganz genau, daß man nach den ersten drei Monaten kaum noch miteinander schläft«, sagte Tara. »Und guck mich nicht so an. Ich liebe Thomas – das ist nur eine Phantasie.«
»Du hast praktisch gestanden, daß du ihn nicht mehr begehrst.«
»Das stimmt nicht! Ich habe nur gesagt, wenn … Und außerdem, es ist ja nur eine Phantasie!«
»Das stimmt«, sagte Katherine. »Wir haben mehr als sechs Monate, wir sterben nicht, diese Diskussion ist dumm und trübsinnig.«
»Gut, daß du das sagst«, rief Tara. »Ich mußte gerade denken, was wohl wäre, wenn ich Thomas verlassen und eine Affäre mit einem anderen haben würde – und dann nicht sterben würde. Ich käme mir vor wie der letzte Idiot.«
41
A ls am Montagmorgen kurz nach zehn die üblichen Verdächtigen um Fintans Bett versammelt waren, kam Dr. Singh ins Zimmer. Seiner verzagten Miene nach zu urteilen hatte er etwas mitzuteilen. Seine Unruhe sprang sofort auf die Anwesenden über, deren Nerven zum Zerreißen gespannt waren.
Lieber Gott, laß es gute Nachrichten sein!
»Ich habe die Ergebnisse der Knochenmarkbiopsie«, sagte er, den Blick auf Fintan gerichtet.
Berichten Sie, so berichten Sie doch!
»Möchten Sie, daß ich allein mit Ihnen darüber spreche?«
»Nein«, sagte Fintan bebend und ruhig zugleich. »Die anderen sollen mithören. Dann brauche ich es hinterher nicht zu wiederholen.«
Dr. Singh holte tief Luft und wartete einen Moment. Es fiel ihm sichtlich nicht leicht. »Ich fürchte, es sind schlechte Nachrichten.«
Keiner sagte etwas. Acht kalkweiße Gesichter sahen ihn flehend an, hofften, daß er sich geirrt hatte.
»Die Krankheit ist auch im Knochenmark aktiv«, fuhr er fort.
Ich bin nur der Bote.
»Wie aktiv?« krächzte Katherine.
»Ich fürchte, sie ist ziemlich weit fortgeschritten.«
Katherine sah Fintan an. Seine Augen waren groß und dunkel, wie die eines zutiefst erschrockenen Kindes.
»Ich habe auch die Ergebnisse der Computertomographie«, sagte Dr. Singh.
Acht Paar Augen waren auf ihn geheftet.
»Die Krankheit ist auch in der Bauchspeicheldrüse aktiv. Außerdem«, Dr. Singh redete widerwillig weiter, »habe ich die Ergebnisse von den Röntgenaufnahmen des Zwerchfells.«
Sein Gesicht sprach Bände.
»Auch im Zwerchfell?« fragte Milo.
Der Arzt nickte. »Es gibt jedoch keine Spuren in den zentralen Organen wie Leber, Nieren und Lunge«, fügte er hinzu. »Das wäre in der Tat sehr ernst.«
Fintan sprach erst jetzt. »Muß ich sterben?«
»Wir fangen umgehend mit der Behandlung an«, sagte Dr. Singh und ignorierte die Frage. »Jetzt, wo wir wissen, wo die Krankheit sitzt, können wir sie auch behandeln.
»Wird auch höchste Zeit«, sagte Tara mit Bitterkeit, und alle sahen sie schockiert an. So sprach man nicht mit einem Arzt. »Er wurde von Tag zu Tag schwächer«, hielt sie ihm vor, »und Sie haben nichts getan. Sie haben nichts für ihn getan, weil Ihr Labor zu beschäftigt war, um herauszufinden, wie krank er ist. Und wenn es diese Tage sind, die den Unterschied machen, ob er lebt oder…« Sie fing an zu weinen und vergrub schluchzend und am ganzen Körper bebend den Kopf in den Händen. »Du mußt die Symptome seit Ewigkeiten gehabt haben«, sagte sie zu Fintan, während ihr die Tränen die Wange hinunterliefen. »Seit Monaten.«
»Das stimmt.«
»Warum bist du dann nicht früher zum Arzt gegangen?« Sie war atemlos vor Zorn und Schmerz. »Warum hat Sandro nicht darauf bestanden?«
»Weil wir dachten, wir wüßten, was es ist. Nachtschweiß – manchmal mußten wir mitten in der Nacht die Bettwäsche wechseln. Der Gewichtsverlust. Ständige Übelkeit. Sandro hatte das alles schon einmal durchgemacht.«
Ein schreckliches Bild präsentierte sich ihnen – Sandro und Fintan in verschworenem Schweigen. Fintan, der immer kränker wurde, und nichts wurde unternommen, um ihm zu helfen, weil sie dachten, es gäbe keine Hilfe.
»Ihr
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