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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Ende machen würde, indem er sie einlud. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als daß er mit lässiger Anmut zu ihrem Schreibtisch herüberschlendern und sich auf die Kante setzen und sagen würde: »Übrigens, das Projekt, das Sie am Freitag erwähnten – wir sollten das beim Lunch besprechen.« Und nur sie und er würden die tiefere Bedeutung verstehen.
    Aber er tat es nicht. Er blieb den Morgen über an seinem Schreibtisch sitzen, und sie schraubte ihre Erwartungen herunter. Es mußte nicht gleich Lunch sein. Ein Drink nach der Arbeit wäre auch gut. Aber das war auch nicht nötig. Einfach ein kleiner Spaziergang, ohne eine weitere Einladung. Und er mußte sie auch nicht persönlich fragen. Ein Anruf würde genügen. Oder eine E-Mail. Oder ein Memo. Als es ein Uhr war, wäre sie mit allem zufrieden gewesen. Ein Papierflieger mit einer Leuchtfarben-Aufschrift: »Wie wär’s mit einem Fick?« wäre willkommen gewesen.
    Aber nichts geschah. Auch am Nachmittag kam er nicht zu ihr herüber, und sie veranstaltete einige Gehirnakrobatik, um es zu rechtfertigen. Vielleicht hatte er ein Verhältnis mit Angie – obwohl sie das nicht für wahrscheinlich hielt. Hätte er dann nicht gesagt: »Ich habe eine Freundin«, statt: »Ich überlege es mir«? Aber wenn Angie nicht das Hindernis war, dann hieß sein Verhalten möglicherweise, daß er Katherine nicht mehr wollte, und der Gedanke war äußerst unangenehm. Also, dachte sie und machte eine Kehrtwendung, war es vielleicht doch wegen Angie. Aber hätte er dann nicht gesagt: »Ich habe eine Freundin«? Und so weiter, im Kreis, wie ein Hamster in seinem Rad, bis es Zeit war, nach Hause zu gehen. Sie versuchte, mit ihrer Mimik auszudrücken:
Ich habe mein eigenes Leben. Das hatte ich schon immer,
verließ das Büro und ging zu Fintan.
    Am Dienstag machte sie alles noch einmal durch, und Tara rief fast jede Stunde an, um sich über die nicht gemachten Fortschritte informieren zu lassen. »Ist er unfreundlich zu dir?« fragte sie.
    »Nein. Er scheint freundlich, wenn ich seinen Blick erhasche. Das ist nicht so oft«, gab Katherine zu. »Ich halte den Blick möglichst gesenkt.«
    »Wenigstens ist er freundlich«, tröstete Tara sie.
    »Freundlich kann mir gestohlen bleiben. Ich habe genügend Freunde!«
    Am Mittwoch sah Katherine der Tatsache ins Auge, daß sich nichts tun würde. Sie hatte Joe genug Zeit gegeben und den angemessenen Zeitraum immer wieder ausgedehnt. Ihre letzte Hoffnung verpuffte. Er hatte sie zurückgewiesen – das wußte sie nun offiziell. Er hatte es »sich überlegt« und beschlossen, daß er kein Interesse hatte.
    Sie wartete auf den Einbruch. Eine Enttäuschung mit einem Mann rückte sie gewöhnlich ein bißchen mehr in Todesnähe. Trübte ihre Lebensfreude. Aber seltsamerweise kam der Absturz nicht. Warum nicht? Weil sie mit anderem beschäftigt war, nämlich mit Fintan? Aber ihre Sorge um Fintan hatte nicht verhindert, daß ihre Gedanken ständig um Joe Roth kreisten.
    Was auch immer die Gründe waren, sie hatte ein merkwürdiges Vertrauen, daß das Leben weitergehen und sie überleben würde. Sie spürte die unberechtigte Hoffnung, daß eine Zukunft vor ihr lag. Zwar wollte Joe Roth sie nicht, aber solange sie lebendig war, konnte alles mögliche passieren.
    An dem Abend ging sie zum ersten Mal seit sechs Wochen zum Steptanzen und anschließend mit Tara, Liv und Milo in die All Bar One. Sandro hatte sich einen Abend allein mit Fintan gewünscht.
    In der Bar saßen sie alle um einen Tisch herum, und Katherine war überrascht, als ein ungeheures Wohlgefühl sie überkam. Sie freute sich, den Abend mit Freunden zu verbringen und sich zu vergnügen. Nicht nur war die Nervosität gewichen, die sie bei dem Gedanken an Joe Roth befallen hatte, sondern auch die Sorge um Fintan, die sie niedergedrückt hatte wie ein Felsbrocken.
    Milo war nicht wiederzuerkennen. Der grobe Klotz, der vor knapp einem Monat in London angekommen war, war poliert worden: Das Haar war in Form gebracht und gekürzt worden, so daß es nicht mehr aussah, als hätte er es mit einer Kettensäge geschnitten, und er trug nagelneue Kleidung, die in jeder Faser Zeugnis von Livs modischem, stilsicherem Geschmack ablegte. Er war erstaunlich attraktiv, ein kräftiger Mann mit schwarzen Locken und dunkelblauen Augen. »Guckt mal her!« Er lachte und zeigte auf die auffallenden asymmetrischen Schuhe, die er trug. »Findet ihr nicht, daß die ziemlich irrwitzig aussehen? Wir haben sie in einem

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