Pusteblume
verrückten Geschäft gekauft. Rot im Boot oder so ähnlich.« Er sah Liv hilfesuchend an.
»Rot oder tot«, murmelte sie. Für sie war es etwas Neues, daß sie diejenige war, die korrigierte, statt korrigiert zu werden. Das gefiel ihr außerordentlich gut.
Milo und Liv waren in der ersten, sehr unsozialen Phase der Frischverliebten. Zwar gaben sie sich halbwegs Mühe, mit Tara und Katherine ein Gespräch zu führen, aber dann kicherten und flüsterten sie miteinander, sie waren ineinander verschlungen und hatten nur Augen füreinander. Milo flüsterte Liv etwas ins Ohr, und Liv senkte den Blick, lächelte breit, stieß Milo in die Rippen und murmelte mit gespielter Empörung: »Laß das.«
Milo flüsterte wieder etwas. Anscheinend war es noch anzüglicher, denn Liv grinste noch breiter und sagte wieder mit einem Kichern: »Laß das.«
Wieder kam Milo mit seinem Mund nah an Livs Ohr, Liv zwickte ihn ins Knie, und Tara und Katherine wechselten vielsagende Blicke.
»Herr im Himmel«, beschwerte sich Tara.
»Was möchtest du trinken?« fragte Katherine Milo. Er beachtete sie gar nicht und wisperte Liv weiter irgendwelche Anzüglichkeiten ins Ohr.
»Was möchtest du trinken?« fragte sie wieder, etwas lauter.
Beim vierten Mal sah Milo sie wie aus der Ferne an und sagte: »Oh, ehm, tut mir leid, hast du was gesagt?«
Tara sagte zu Katherine: »Sieht ganz so aus, als mußten wir miteinander vorlieb nehmen.«
Als die Gläser mit dem Wein vor ihnen standen, fing Tara mit ihrem Kreuzverhör an. »Bist du am Boden zerstört wegen Joe?«
»Es geht mir eigentlich ganz gut damit«, sagte Katherine.
»Aber du würdest es nicht zugeben, wenn es dir schlechtginge«, sagte Tara betrübt. »Du sagst es nie.«
»Nein, ehrlich.« Katherine war ganz ernst. »Es stimmt wirklich. Es tut mir weh, daß er mich zurückgewiesen hat, aber ich habe etwas Gutes getan. Ich war mutig und bin ein Risiko eingegangen.«
»Das sagst du nur, damit ich mich von Thomas trenne.« Tara zog an ihrer Zigarette, als saugte sie das Gift aus einer Wunde. »Ein krasser Fall von Schleimerei. Du tust, was Fintan gesagt hat, und zeigst mit dem Finger auf mich, weil ich mich nicht traue.
»Nein, wirklich nicht.« Katherine winkte ab. »Warte, und ich versuche es dir zu erklären. Du erinnerst dich daran, wie wir uns vorgestellt haben, daß wir nur noch sechs Monate zu leben hätten?«
Tara zuckte zusammen.
»Dieses Gefühl, daß das Leben dazu da ist, gelebt zu werden? Weil man nur einen Versuch hat? Du erinnerst dich.«
»Das Leben ist keine Generalprobe. Tot ist man lange genug. Jeder hat nur eine Chance.« Taras Sarkasmus war fast greifbar.
»Genau! Das –«
»Offenbar ist dir meine Ironie entgangen«, sagte Tara ängstlich.
»Ach so, du hast das ironisch gemeint? Na, in dem Fall. Ich meinerseits habe das Gefühl, daß ich lebendig bin. Und darüber bin ich froh«, sagte Katherine schlicht.
»Aber du bist immer so zynisch«, entgegnete Tara hilflos. »Und ein liebenswerter Mann hat dich zurückgewiesen. Für jede andere Frau wäre das das Ende.«
»Wer weiß«, sagte Katherine mit einem vielsagenden Blick, »vielleicht lerne ich einen anderen Mann kennen.«
»Aber…« Tara war verwirrt. Normalerweise sagte Katherine so etwas nicht.
»Einen wie ihn.« Katherine deutete zur Bar, wo ein gutaussehender blonder Mann an der Theke lehnte.
Als Tara sich zu ihm umsah, lächelte er, und zwar lächelte er Katherine an. Tara wandte sich Katherine zu, und die strafte ihn nicht mit einem Blick der Stufe eins (eisige Verachtung) oder der Stufe zwei (eisige Verachtung mit einem Schuß knallharter Feindseligkeit), sondern erwiderte sein Lächeln. Kein breites Lächeln von einem Ohr zum anderen, aber immerhin ein Lächeln.
Und dann fiel der Groschen bei Tara: Katherine erwiderte nicht das Lächeln des Mannes – sie hatte ihn zuerst angelächelt.
Was war hier los? Irgendwie war Katherine wie losgelassen. Sie sah auch anders aus als sonst, erinnerte Tara an jemanden. Wer konnte es sein? Jemand Vertrautes, und dann auch wieder nicht. Ah! Plötzlich wußte sie es mit Gewißheit. Welche Überraschung! Sie sah aus wie ihre Mutter Delia.
Am Donnerstag ging Katherine mit einem kleinen Kater zur Arbeit und wappnete sich gegen einen weiteren JoeRoth-freien Tag. Sie war zwar enttäuscht, aber dennoch seltsam sicher, daß das Leben weitergehen werde.
Zum Glück lenkte die Arbeit sie ab. Doch während sie einen Aktivpostenplan in den Computer eingab, überfiel
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