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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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war es ohne die Hast des Abends zuvor und mit großer Zärtlichkeit.
    Danach ging Joe ins Badezimmer. Katherine versuchte sich die Haare zu ordnen, indem sie mit den Händen hindurchfuhr, und wischte sich Reste von Rouge und Mascara unter den Augen mit den Fingern ab. Als Joe aus dem Badezimmer kam, wirkte er unsicher. Nachdenklich rieb er sich mit der Hand über den Mund, zog die Mundwinkel in die Länge und ließ die Haut wieder zurückspringen.
    »Ich sollte jetzt vielleicht gehen«, sagte er fragend.
    »Vielleicht«, sagte Katherine mit einem rätselhaften Lächeln. Aber sie war zutiefst enttäuscht. Was war mit den Croissants, dem frisch gepreßten Orangensaft, den weißen, gestärkten Servietten auf einem vergoldeten Tablett, wie die Werbung es versprach? Mußte sie nicht das Oberteil des Schlafanzugs tragen und Joe die Hosen dazu? Mußte sie nicht in die Daunenkissen sinken, während Joe sie mit Joghurt fütterte? Und dann mußte er ihr einen Klecks auf die Nase machen, und sie würden beide vor Freude auflachen?
    Und anschließend mußten sie einen Spaziergang machen, sich an den Händen halten, die Enten füttern, während ihr verliebtes Lachen durch den Park schallte. Und mußte Katherine nicht die Zehen ins Wasser stecken und einen dummen Hut tragen, der nur auf dem Kopf blieb, wenn sie ihn mit der Hand festdrückte?
    Joe ging aus dem Schlafzimmer, und als er zurückkam, war er angezogen. Plötzlich hatte sie ein schrecklich leeres Gefühl.
    »Ich rufe dich an«, versprach er.
    »Ja?« Katherine lächelte ironisch, um ihm zu verstehen zu geben, daß sie ihn durchschaute, falls das nicht seine Absicht war. Und wenn er sie wirklich anrufen wollte, dann gehörte zu seiner Erinnerung auch dieses Bild der geheimnisvollen Katherine, auf die er ja so scharf war. Himmel, es war so anstrengend!
    »Und natürlich sehen wir uns im Büro«, sagte er.
    »Das ist allerdings wahr«, stimmte sie ihm zu.
    »Und danke für einen wunderbaren Abend. Und einen wunderbaren Tag«, fügte er noch hinzu.
    Sie senkte anmutig den Kopf. »Keine Ursache.«
    Das Zuschlagen der Tür fand ein Echo in dem Donnerschlag der Trostlosigkeit tief in ihr. War das alles gewesen?
    Aber wenigstens hatte sie ihre überwältigende Bedürftigkeit gezügelt. Besser gezügelt. Besser als beim letzten Mal. Vielleicht war sie endlich darüber hinweg. Wenn das der Fall war, dachte sie traurig, dann hatte es zwölf Jahre gedauert.
59
    D ie erste Verletzung geht am tiefsten. Und bei Katherine ging sie tiefer als bei den meisten anderen. Sie war neunzehn, als sie ihren ersten Liebeskummer erlebte – ziemlich alt. Vielleicht war das Teil des Problems. Dann, kaum einen Monat später, schrieb sie an ihren Vater und erfuhr, daß er gestorben war. Der Schmerz wurde dadurch noch pointierter.
    Als Tara eine Woche später zu ihr sagte: »Fintan und ich haben genug Geld gespart, um aus Knockavoy wegzugehen, und wir finden, du solltest mit uns kommen«, hatte Katherine das Gefühl, daß man ihr eine Lebensrettungsleine zuwarf. Einerseits war ihr Leben vorüber, so daß es ohne Bedeutung war, wo sie den Rest ihrer Tage verbrachte, aber andererseits hatte die Vorstellung zu fliehen einen wilden Reiz.
    »Wohin wollt ihr?« fragte sie.
    »In eine weit entfernte Stadt«, sagte Tara lockend. »Nicht Limerick?« hatte Katherine mit unsicherer
    Stimme gesagt.
    »Großer Gott, nein. Weiter weg.«
    »Dublin?«
    »Noch weiter weg«, hatte Tara geprahlt. »Nicht … nicht New York, oder?« Katherine konnte ihre Aufregung kaum verhehlen.
    »Ehm … nein, nicht New York.« Tara war ein wenig beschämt. »Was hältst du von London?«
    Katherine wäre lieber noch weiter weg gegangen, nach Los Angeles. Oder nach Wellington. Oder auf den Mond. Aber London wäre auch recht. Am frühen Morgen des 3. Oktobers 1986 waren sie zu dritt an der Euston Station ausgestiegen, hatten sich den
Evening Standard
gekauft und eine Wohnung in Willesden Green gefunden.
    In der Woche darauf fand Tara eine Arbeit bei einer Computerfirma, Fintan wurde von einem exklusiven Herrenausstatter eingestellt, und Katherine konnte eine Ausbildungsstelle als Buchhalterin ergattern – und ihr neues Leben begann.
    In London gab es viele Männer. Viele, viele Männer. Tara und Fintan krempelten die Ärmel hoch und machten sich ans Werk, während Katherine sich zurückhielt. Das fiel ihr nicht schwer. Doch ihr mangelndes Interesse wurde nicht immer respektiert. Nicht, daß ihr die Männer in Scharen nachliefen, aber

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