Pusteblume
gelegentlich wollte sich jemand mit ihr verabreden. Es kostete sie keine Anstrengung, nein zu sagen, und zwar so unhöflich, wie sie konnte. Niemand fragte sie ein zweites Mal.
Doch eines Abends, nachdem sie schon ein Jahr und zwei Monate in London lebten, traf Katherine sich nach der Arbeit mit Tara und ihren Arbeitskollegen in einem Pub. Unter anderem wurde sie einem Simon Armstrong vorgestellt, dem offiziellen Herzensbrecher in der Firma. Selbstbewußt, charmant, gut gebaut und blond wie er war, hatte er bei Frauen viel Erfolg. Aber Katherine nahm kaum Notiz von ihm. Mit großer Feinfühligkeit spürte Simon, daß sie ehrlich nicht an ihm interessiert war – so etwas konnte man nicht vorspielen. Er hätte jede der anwesenden Frauen haben können, aber er wollte unbedingt Katherine. Ihre Unnahbarkeit reizte ihn wie verrückt, und sein Ego sagte ihm, er sei der Mann, der ihre Maske abreißen könnte – er
mußte
es tun.
Katherine war nicht so elegant und attraktiv wie die Frauen, mit denen er sich sonst verabredete, doch deshalb war es für ihn noch wichtiger, sie zu erobern. Er fing an, ihr nachzustellen, ihr den Weg zu versperren und grinsend zu sagen: »Widerstand ist zwecklos.«
Die anderen Frauen sahen konsterniert zu und spotteten über Katherines ordentlich frisiertes Haar und ihre unauffällige Erscheinung. »Vielleicht fühlt er sich an seine Mutter erinnert«, mutmaßten sie.
Simon ließ sich von Tara Katherines Telefonnummer im Büro geben und fragte sie, ob sie mit ihm ausgehen würde. Sie sagte nein. Er rief wieder an. Sie sagte wieder nein. Er sagte, nein sei keine Antwort, die er akzeptieren könne.
Anfangs fand Katherine seine Bemühungen bedrohlich. Dann fühlte sie sich geschmeichelt, und dann erregte es sie. Die Aufmerksamkeit, mit der Simon sie überschüttete, durchbrach ihre Schutzwälle, so daß alte, vergrabene Sehnsüchte an die Oberfläche kamen. Sie wollte geliebt werden. Und wenn sie mit diesem Simon Armstrong eine Beziehung haben konnte, würde ihr Leben wieder ins Lot kommen. Ende gut, alles gut.
Also verabredete sie sich mit ihm. Dann ein zweites Mal. Dann noch einmal. Und nach drei Wochen schlief sie mit ihm. Als er morgens bei ihr aus dem Bett stieg, sagte er, er würde sie abends anrufen – aber er tat es nicht. Also rief sie ihn früh – zu früh – am nächsten Tag an. Sie versuchte das Beben in ihrer Stimme zu unterdrücken und fragte, ob sie sich abends sehen könnten. Als Simon ausweichend antwortete, sagte sie, die Augen fest geschlossen: »Tu mir das bitte nicht an.« Worauf Simon sich natürlich aus dem Staub machte.
Er hatte ohnehin das Interesse verloren. Sie war zu jung und unerfahren, nicht hart genug im Nehmen, und er hatte nur diese Beharrlichkeit entwickelt, um am Ende einen Erfolg verbuchen
zu
können. Das einzige, was er wirklich faszinierend an ihr gefunden hatte, war ihre Unnahbarkeit, die in dem Moment verflog, als er mit ihr geschlafen hatte. Sie war zwar schlank und hübsch, aber kein Klasseweib, und er mochte Klasseweiber. Ganz abgesehen davon, daß er ihre Bedürftigkeit zu spüren begann, und das machte ihn nervös und rastlos.
Er erkannte Obsession, wenn er die Ursache dafür war. In den Wochen und Monaten darauf war Katherine völlig benommen und unfähig, die Ereignisse zu verstehen. Sie konnte nicht glauben, daß sie erneut verlassen worden war. Anscheinend war sie noch weniger als vorher in der Lage, mit Männern umzugehen, und sie hatte immer mehr das Gefühl, ihr Leben nicht im Griff zu haben.
Das war das letzte Mal, daß sie sich mit einem Mann eingelassen hatte, schwor sie sich. Diesmal hatte sie ihre Lektion endgültig gelernt.
In den nächsten zwei Jahren ordnete sich ihr Leben: Sie arbeitete viel, bestand ihre Buchhalterprüfungen, lebte mit Fintan und Tara zusammen und wurde Zeugin von deren Liebesabenteuern, während sie sich von alldem fernhielt. Man merkte es ihr nicht an, daß sie der Liebe abgeschworen hatte: Sie kaufte sich schicke, wenn auch nicht zu schicke Kleidung, gab viel Geld für den Friseur aus, plauderte gern mit Männern und ging mit ihren Mitbewohnern aus. Der Unterschied war der, daß sie immer allein nach Hause ging. Bis sie Alex Holst kennenlernte.
Inzwischen waren fast vier Jahre vergangen, seit sie nach London gekommen waren. Fintan hatte angefangen, für Carmella Garcia zu arbeiten, und Alex war eins der Models in ihrer Agentur. Er hatte einen Dreitagebart, perfekt überkronte Zähne, rabenschwarze Haare
Weitere Kostenlose Bücher