Pusteblume
hat, deren Kollege sich mit uns in einer Billardhalle in Hammersmith getroffen hat, wo er uns den Stoff verkauft hat. Mann. He«, rief sie plötzlich, »was ist das für ein köstlicher Duft? Kuchen?«
Fintan führte sie in die Küche, wo auf einem Backblech noch ein Kuchenstück übrig war.
»Haschplätzchen«, erklärte Fintan. »Tut mir leid, Tara. Sandro hat heute nachmittag zwanzig Gramm Blem erstanden. Du und Ravi, ihr hättet euch die Mühe sparen können. Mann«, fügte er noch hinzu.
»Ah, mach dir keine Gedanken über uns – wir hatten einen Riesenspaß. Habe seit Ewigkeiten so was nicht mehr gemacht. Also Plätzchen helfen auch gegen Übelkeit?«
»Ich habe sie gerade erst verdrückt. Aber ich hoffe doch stark, daß sie die gewünschte Wirkung haben. Es ist einfach so langweilig, wenn man dauernd das Gefühl hat, sich übergeben zu müssen.«
»Ich drück dir die Daumen. Was sollen wir heute abend machen?« fragte Tara. »Die Idee, daß wir uns sinnlos bekiffen, ist sehr verlockend. Dann könnten wir zu der Rund-um-die-Uhr-Tankstelle gehen und deren Vorrat an Bounties aufkaufen –«
»– wobei wir allerdings kein Wort rausbringen, weil wir uns die ganze Zeit grundlos ausschütten vor Lachen.«
»Wir dürfen natürlich nicht vergessen, daß das Zeug aus rein medizinischen Gründen hier ist. Mißbrauch nicht erlaubt. Aber es würde Spaß machen, wenn wir uns bekiffen könnten. Es ist Jahre her.«
»Das Problem ist nur«, sagte Fintan, »daß ich ausgehe.«
»Du gehst aus? Wohin?«
»Zu Sandros Weihnachtsfeier.«
»Jetzt? Es ist gerade mal der erste Dezember.«
»Der einzige Abend, an dem sie einen Tisch im Nobu bekommen konnten. Kannst du dir vorstellen, daß es bis zum vierten Januar ausgebucht ist?«
»Hast du denn die Kraft zu gehen?«
»Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.« Er lachte. »Ich will mich amüsieren. Essen, trinken, fröhlich sein.«
»Bist du dir sicher? Ich meine, du bist krank…«
»Oh, es klingelt, das muß mein Taxi sein.« Fintan stand auf und ging zur Tür. Tara entdeckte etwas, das ihr die Kehle zuschnürte.
»Ist es eine Weihnachtsfeier mit Verkleiden?«
»Nein.«
»Warum hast du dann einen Spazierstock?«
»Ach, der. Ich habe ganz vergessen, dir davon zu erzählen, wegen der ganzen Aufregung mit dem Haschisch und der Übelkeit.«
»Und das wäre?«
»Die letzte Chemo hat den Nerven in meinen Füßen übel mitgespielt.«
»Inwiefern übel mitgespielt?« fragte sie. Bodenlose Angst breitete sich in ihr aus. Das hier wurde immer schlimmer.
»Ich habe so ein empfindliches Gefühl in den Füßen, sie tun weh, wenn ich sie zu sehr belaste, und da hilft ein Stock.« Er lachte, als er ihr Gesicht sah. »Oh, mach nicht so ein trauriges Gesicht! Es ist doch nur vorübergehend, Tara. Wenn ich mit der Chemo fertig bin, wird das alles wieder gut. Jetzt sag mir lieber, ob meine Perücke richtig sitzt.«
Sie sah zu, wie seine abgemagerte Gestalt mit der Tina-Turner-Perücke auf unsicheren Beinen zur Tür humpelte, und dachte:
Er ist nur ein Jahr älter als ich.
»Soll ich morgen vorbeikommen?« fragte sie. Er ging voraus und knipste die Lichter aus, und sie folgte ihm.
»Nein. Ich gehe mit siebenundzwanzig meiner engsten Freunde in einen Club, aber du kannst gern mitkommen.«
»Du gehst in einen Club?«
»Du hast ganz richtig gehört, in einen Club.« Fintan klang gereizt. »Rage, rage against the dying of the light – ja, der Zorn gegen das vergehende Licht. Genau das habe ich vor: Ich will meinen Zorn loswerden.«
Tara wurde das Herz schwer, als sie erkannte, daß Fintan nicht ganz der Zen-Bekehrte war, wie sie gedacht hatte. »Du bist wütend?«
»Nicht richtig wütend. Zumindest nicht gerade jetzt. Aber wenn meine Tage gezählt sind, dann will ich soviel wie möglich aus ihnen herausholen.«
Darauf konnte sie nichts erwidern, eine seltsame Mischung aus Scham und Bewunderung machte sie stumm.
»Ich werde kämpfen«, versprach er, »oder wenigstens tanzen. Solange noch das Blut in meinen Adern fließt und Sister Sledge sich auf dem Plattenteller dreht, geht das Leben weiter.«
66
I ch komme gerade aus dem Büro«, stöhnte Tara, als sie, nach Zigarettenrauch und Alkohol riechend, in die Wohnung kam. »Das macht mich noch ganz fertig.«
»Viel zu tun?« fragte Katherine verständnisvoll. »Und wie!« erklärte Tara. »Gestern abend das
Projektessen, gestern mittag der Teamlunch, dann der Bürolunch am Tag davor, heute Drinks auf unserer Etage, morgen der
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