Pusteblume
nichts verändert hatte, und man mußte ihn nur ansehen, um sich davon zu überzeugen, daß die KiwiSchwellung nicht an Größe eingebüßt hatte.
Die Onkologen sagten immer wieder, daß es seine Zeit dauern würde und daß es ihm schlechtergehen würde, bevor eine Besserung eintreten könne, aber Tara konnte sich damit nicht abfinden und griff alles auf, was sie über alternative Behandlungsmethoden finden konnte. »Zwanzig Tage – hurra!« Katherine und Joe fingen wild an zu klatschen, als Tara in die Küche kam.
Tara zuckte zusammen. »Es ist Montagmorgen – wie könnt ihr so fröhlich sein?«
»Zeit für deinen morgendlichen Katzenjammer«, sagte Katherine strahlend.
»Danke. Mein Kummer heute ist, daß ich keinen habe, der mit mir den
Pferdeflüsterer
sehen will.«
»Aber Thomas wäre nie mit dir gegangen.«
»Laß mir bitte meine rosige Sicht auf die Vergangenheit«, sagte Tara mit Würde.
»Wir wollen den
Pferdeflüsterer
auch nicht sehen«, sagte Katherine.
»An welchem Abend wollen wir ihn uns nicht ansehen?« fragte Joe und blickte Katherine mit einem strahlenden Lächeln an.
Einige Sekunden vergingen, in denen sie sich entrückt ansahen, bevor Katherine sagte: »Nächsten Dienstag.«
»Ihr braucht ihn nicht zu sehen«, erklärte Tara. »Bei euch findet die romantische Liebesaffäre im wirklichen Leben statt. Ich gehe zur Arbeit.«
»Viel Spaß an deinem einundzwanzigsten Tag ohne Thomas.«
»Heute wird es spät werden.« Sie machte eine Pause und hoffte, jemand würde darauf bestehen, daß sie zeitig wieder nach Hause käme, aber als niemand etwas sagte, fuhr sie fort: »Ich gehe ins Fitneß-Studio, und dann gehe ich aus.«
»Mit wem?«
»Kommt drauf an, wen ich finden kann – Ravi, einen Obdachlosen, mir egal. Ich weiß, ich verhalte mich genauso, wie in jedem Ratgeber beschrieben, mit den ganzen Ablenkungsmanövern und Sauftouren.«
»Aber wenigstens hast du mit der Tradition gebrochen und bisher noch keinen abgeschleppt«, sagte Katherine verständnisvoll.
»Und zwar jemanden, den man nie eines zweiten Blickes gewürdigt hätte, wenn man nicht gerade eine Trennung hinter sich hätte«, fügte Joe mit einem wissenden Lächeln hinzu.
»Laßt mir Zeit. Wer weiß, was noch passiert.«
Als Tara die Tür hinter sich zuzog, wurde ihr bewußt – wie so häufig in letzter Zeit –, daß alles ganz falsch war. Warum mußte sie die Tür einer anderen Wohnung auf-und zumachen, wenn ihre eigene Wohnungstür ganz in der Nähe war?
Es war gar nicht weit von hier. Sie stand auf der Straße und stellte sich die Häuser und Straßen und Büros vor, die sich zwischen ihr und ihrem eigentlichen Zuhause, ihrem eigentlichen Leben erstreckten.
Ich will nach Hause.
Das geht aber nicht, sagte sie sich. Sie riß sich zusammen und ging zu ihrem Auto.
»Morgen, Tara«, begrüßte Ravi sie fröhlich, als sie das Büro betrat. »Ich habe großartige Neuigkeiten. Hier in
Elle
steht, daß es einen neuen Lippenstift von Max Factor gibt. Sie sagen nicht, daß er unauslöschlich ist, aber daß er sich selbst erneuert, was – ich weiß ja nicht, was du denkst, aber ich glaube, das ist ebenso gut. Mein Gefühl sagt mir, daß wir Boots bald einen Besuch abstatten werden.«
»Wirklich?« Tara war angetan. »Erzähl mir genau, was da steht, Ravi.«
»Anscheinend trägt man ihn auf, und jedesmal, wenn man denkt, die Farbe ist schwächer geworden, preßt man die Lippen zusammen…« Ravi machte es ihr mit einem Schmatzen vor, »… und schon ist er wieder so frisch wie in dem Moment, als man ihn auf getragen hat.«
Taras Telefon klingelte. Liv war am Apparat. »Was ist los?« fragte Tara. »Wieder JaneAnn?«
Liv seufzte. »Die Frau ist wie ein Racheengel. Aber nein, hast du zufälligerweise Drogen?«
»Wie bitte?«
»Haschisch.«
»Nicht zur unmittelbaren Verfügung. Wozu brauchst du das?«
»Für Fintan. Er fühlt sich hundsmiserabel nach der Chemo vor zwei Tagen, und jemand hat ihm gesagt, daß Haschisch die Übelkeit lindert. Aber ich habe keine Ahnung, wo man welches bekommt. Ich bin Innenarchitektin! Mir bietet man höchstens Kokain an.«
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H e, Mann, ich habe libanesischen Roten besorgt«, sagte Tara und schwenkte einen Beutel mit einem kleinen braunen Plättchen vor Fintan. »Kann auch marokkanischer Schwarzer sein. Ich habe keine Ahnung, was der Unterschied ist. Das Theater, das Ravi und ich hatten, das Zeug aufzutreiben. Ein Freund eines Freundes eines Freundes hat eine Schwester, die einen Freund
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