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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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freundlichen Umgangs mit seinen Mitarbeitern und wartete auf die vielstimmige Antwort: »Guten Abend, Mr. Honeycomb.« Die paar Stufen zum Ausgang pflegte er im Laufschritt zu nehmen
    – es war wie ein kleiner Tanz, eine perfekte Folge eleganter Schritte in seinen weichen italienischen Mokassins – und dann auf die Straße zu treten, wo er jedesmal das leere Taxi, das zufällig gerade vorbeikam, herbeiwinkte. Doch diesmal, als er das Geländer umfaßte und im Begriff war, seinen kleinen Steptanz zu vollführen, legte er seine Hand in Taras oral ausgeschiedenen Sherry. Mr. Honeycomb riß die Augen weit auf, als seine Hand auf dem glitschigen Erbrochenen bis zum Ende des Geländers glitt und seinen Körper mit sich riß, als würde er in ein Schwimmbecken stürzen. Seine Füße suchten auf den Stufen Halt und fanden ihn nicht, und bevor er wußte, wie ihm geschah, war er die sieben Stufen hinuntergepurzelt und auf die Straße hinausgerollt, was ihm eine gestauchte Schulter und eine Platzwunde am Kinn einbrachte. Sein Aktenkoffer hüpfte über den eisigen Bürgersteig, und für ein paar Sekunden blieb Mr. Honeycomb völlig benommen auf dem Bauch ausgestreckt liegen. Ein festlich gekleidetes Paar auf dem Weg zu einer Weihnachtsfeier ging um ihn herum, und der Mann sagte: »Also ehrlich, manche übertreiben es mit dieser Feierei. Sie sollten nicht soviel trinken, wenn sie es nicht vertragen.«
    Als Tara am folgenden Morgen aufwachte, fühlte sie sich nicht so schlecht. In ihrem Kopf war ein schwaches Brummen, und sie fühlte ihre Füße auf dem Boden nicht, aber sie konnte aufstehen und duschen und sich anziehen, und dann richtete sie ihr kleines Schwarzes und die schwarzen Keilsohlensandalen für die Party am Abend her.
    Sie fuhr zur Arbeit, ohne richtig wahrzunehmen, was sie tat. Als sie ins Büro kam, begegnete sie Mr. Honeycomb auf der Treppe. Woher er wohl die Wunde am Kinn hatte? fragte sie sich. Wahrscheinlich war er im Vollrausch auf die Schnauze gefallen. Ein leuchtendes Beispiel für seine Mitarbeiter!
    Sie winkte ab, als die anderen in ihrer Abteilung sich besorgt nach ihr erkundigten, und lächelte ihnen beruhigend zu. »Danke«, hauchte sie Ravi zu. Zum Glück spürte sie keine Schuldgefühle und keine Scham. Sie war wie betäubt.
    Dann stellte sie fest, daß jemand – wahrscheinlich Vinnie – ihr einen Termin um zehn mit zwei erzürnten Kunden aufgedrückt hatte. Sie waren schon da und sahen tatsächlich ziemlich erzürnt aus. Zum Glück war sie zur Arbeit gekommen, statt den Tag im Bett zu verbringen und hin und wieder nach einer Brechschüssel zu verlangen, wie man hätte erwarten können.
    Doch als Tara die Kunden in ein Besprechungszimmer bat, wurde ihr plötzlich bewußt, daß sie immer noch sturzbetrunken war. Schlimmer noch, sie konnte ihre Worte nicht richtig artikulieren. »Mister Förde, Mister Ransom, setzen Sie sich doch.«
    Ihre Zunge war dick geschwollen und ließ sich nicht von ihrem Gaumen lösen. Vor Angst brach ihr der Schweiß aus. »Ja, ich verstehe ihre Beschwerde über den Service unserer Firma sehr gut«, sagte sie verzweifelt.
    War sie in einem Traum?
    Sie konnte sich nicht verteidigen, ihr fielen nicht die passenden Argumente ein. Ihr zentrales Nervensystem funktionierte nicht richtig, die Signale, die normalerweise von den Nervenenden zu ihrem Gehirn sausten, versickerten in einer sirupähnlichen Masse.
    Es war viel zu heiß in dem kleinen Zimmer.
    Und dann roch sie es. Ein Geruch, der zu keinem Zeitpunkt in einem Besprechungszimmer angemessen war, und keinesfalls um Viertel nach zehn am Morgen.
    Alkohol. Sie konnte den Alkohol riechen. Warm und abgestanden drang er aus all ihren vor Angst geweiteten Poren.
    Das reicht,
beschloß sie in dem Moment.
Es war genug.
Sie hatte die obligatorische Phase des Trinkens und Feierns und der Selbstzerstörung im Anschluß an eine Trennung durchlaufen. Jetzt mußte sie versuchen aufzuhören.
67
    D as erste, was Frank Butler jedesmal fragte, wenn er Tara am Flughafen Shannon abholte, war: »Wann fliegst du wieder?« Aber als er Tara und Katherine diesmal am Mittwoch vor Weihnachten abholte, kam diese Frage an zweiter Stelle. Das erste war: »Ich habe gehört, daß Fintan Aids hat.«
    »Nein, Dad, es ist kein Aids. Er hat Krebs.«
    »Von wegen Krebs! Die versuchen einen für dumm zu verkaufen. Hier lang, das Auto steht da drüben.« Er schlängelte sich durch die Menschenmenge in der Ankunftshalle und sagte: »Denken die denn, daß wir nie die

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