Pusteblume
Lunch von unserer Abteilung, am Nachmittag Glühwein in der Marketing-Abteilung, und einen Abend später die Weihnachtsfeier der Firma. Verdammte Weihnachtszeit, sie bringt mich noch um. Und meine Leber bettelt schon um Gnade.«
»Ich weiß genau, was du meinst«, sagte Katherine.
Bei Breen Helmsford war jedoch der Unterschied zwischen der Weihnachtszeit und dem Rest des Jahres hinsichtlich der Häufigkeit der Festivitäten nicht so deutlich spürbar.
Die Weihnachtszeit mit all den Feiern hätte für Tara zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Der viele Alkohol und die allgemeine Ausgelassenheit vertrieben die bösen Geister von ihrer Tür. »Ich muß allerdings zugeben, daß ich so pleite bin wie alle Länder der dritten Welt zusammen« sagte Tara. »Du bist immer pleite«, erinnerte Katherine sie.
»Aber jetzt ist es noch schlimmer. Alkohol und Taxis, Taxis und Alkohol. Und natürlich Klamotten. Vielleicht muß ich meine Kreditkarten wieder zerschneiden.« Tara konnte nicht aufhören, sich Sachen zum Anziehen zu kaufen, obwohl es für sie ein trauriger Trost war, daß sie wieder in Größen hineinpaßte, an die noch vor sechs Wochen gar nicht zu denken war. »Noch zwei Wochen dieser Qualen«, klagte sie, zwang sich dann aber zu einem Lächeln, »dann passe ich wieder in Jeans. Guck mal, was für einen hübschen Rock ich mir für den Abteilungslunch morgen gekauft habe.«
»Sehr schön«, sagte Katherine bewundernd. »Wo findet er statt? Geht ihr in ein Restaurant?«
»Ehrlich gesagt, nein.«
Es war beschlossen worden, den Abteilungslunch in der Firma abzuhalten, weil es unmöglich war, in den umliegenden Restaurants einen Tisch zu bekommen. Entweder waren sie ausgebucht, oder sie hatten Wind davon bekommen, daß sich im Jahr zuvor die Lunchparty der Entwicklungsabteilung von GK Software bis zum Abend ausgedehnt und die Reservierungen für den Abend durcheinandergebracht hatte.
Obwohl inzwischen fast ein Jahr vergangen war, bekreuzigte sich der polnische Restaurantbesitzer jedesmal, wenn er an GK Software vorbeikam, und wechselte auf die andere Straßenseite, um bloß nicht einem der wilden Angestellten der Firma zu begegnen.
Diesmal begann alles etwas gemessen. Die Frauen verließen um halb elf ihre Arbeitsplätze, um sich zurechtzumachen, obwohl der Lunch erst um ein Uhr stattfinden sollte. Sowieso wurde den Morgen über nicht gearbeitet, weil alle behaupteten, sie seien zu aufgeregt. Natürlich stimmte das nicht, aber eine gute Gelegenheit, sich vor der Arbeit zu drücken, ließ man sich nicht entgehen.
»Wie findest du ihn, Ravi?« fragte Tara und führte ihm ihren neuen Rock vor.
»Was soll ich beurteilen? Rock oder Lippenstift?«
»Ach, blöde Lippenstifte! Leider war der Selbstauffrischer auch nicht das Gelbe vom Ei. Wieder reingefallen.«
»Oh, Tara, ich hab hier was für dich.« Ravi wühlte in seiner Schreibtischschublade. »Das könnte die Antwort auf alle deine Probleme sein. Hier, ich hab’s.« Er schwenkte eine Seite, die er aus einer Zeitschrift herausgerissen hatte. »Tätowierung! Man kann sich die Lippen tätowieren lassen. In Kalifornien. Hört sich ziemlich scheußlich an, aber wenigstens müßtest du dir nie mehr Gedanken über deinen Lippenstift machen.«
»Danke, Ravi, aber ich glaube nicht.« Tara war gerührt. »Das ist ganz lieb von dir, aber was ist, wenn ich plötzlich eine andere Farbe haben will?«
»Schade. Ich wollte es dir auf jeden Fall sagen.«
»Du bist so aufmerksam!«
Um ein Uhr drängten sich dreißig Mitarbeiter im
Konferenzzimmer, wo Sherry, aufgewärmter Truthahnbraten und pappige Cracker auf sie warteten. Dem Sherry wurde herzhaft zugesprochen. Wie immer saßen Tara und Ravi nebeneinander und machten ihre amüsierten Bemerkungen über das Geschehen um sie herum.
»Sieh dir Vinnie an.« Tara lachte, ihr Gesicht war gerötet. »Er hat einen Schwips. Sogar sein Schädel ist rot.«
»Er hat ja nicht viel Gelegenheit auszugehen. Wahrscheinlich ist er aus der Übung, was das Trinken angeht.«
»Gieß mir doch noch mal von dem süßen Sherry ein, Ravi, mein Guter.«
»Nur noch ein Glas«, sagte er und ahmte eine verkniffene Damenstimme nach. Sie prosteten sich zu.
Sehr viel später gingen einige verantwortungsbewußte Menschen wie Vinnie wieder an die Arbeit, andere, allen voran Tara und Ravi, blieben und amüsierten sich prächtig.
Doch gegen halb fünf, als die Kombination aus der Mangelernährung der letzten Wochen und dem exzessiven Alkoholgenuß
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