Pusteblume
wieder jedoch brach der bizarre Schrecken der Situation durch. Wie an dem Abend, als Katherine, Joe und Fintan ins Theater gingen und anschließend kein Taxi für Fintan bekommen konnten.
»So ein Mist, daß ich dich nicht mitnehmen kann«, klagte Katherine, während sie am Straßenrand warteten und ein Taxi nach dem anderen an ihnen vorbeifuhr, und jedes hatte das Licht ausgeschaltet. »Das ist das Problem mit einem Zweisitzer.«
»Ich setze mich auf Joes Schoß«, schlug Fintan vor.
Lachend schimpfte Katherine mit ihm, weil er fortwährend mit Joe flirtete, dann erkannte sie, daß er es ernst meinte. Schockiert stellte sie fest, daß es tatsächlich möglich wäre, so dünn und abgemagert war Fintan.
Auf der Fahrt nach Hause, bei der Fintan wie die Puppe eines Bauchredners auf Joes Schoß saß und Joe beschützend die Arme um ihn gelegt hatte, war Katherine stumm vor Trauer.
Milo wollte seinen Hof verkaufen und verkündete, daß er Landschaftsgärtner werden wollte. »Mir gefällt es in London, aber ich vermisse das Land«, sagte er. »Ich möchte die Erde zwischen meinen Fingern fühlen. Jeder lebt auf seine Weise.«
Liv sah aus, als würde sie vor Bewunderung in Ohnmacht fallen.
»Bist du glücklich, Liv?« fragte Tara sie.
»Glücklich?« erwiderte Liv zögernd. »Glücklich gibt’s bei mir nicht, aber ich nehme kein Prozac, kein Johanniskraut, kein Nachtkerzenöl, kein Vitamin B mehr und habe schon seit Ewigkeiten nicht mehr an Selbstmord gedacht.«
»Aber mit Milo, bist du mit ihm glücklich?«
Livs Augen leuchteten. »Oh, er ist wunderbar! Für mich ist er ein richtiger Glücksfall. Er hat meine Sichtweise von der Welt verändert. Wenn es zu regnen anfängt, macht er sich keine Sorgen darüber, daß seine Haare sich krausen könnten – das kommt ihm gar nicht in den Sinn –, sondern er sagt: ›Das ist ein schöner Regen, gut für die Pflanzen.‹ Und für ihn hat alles seine Zeit: Er ist nicht traurig, wenn der Löwenzahn verblüht, sondern er freut sich über die Pusteblume. Aber natürlich«, fügte Liv eilig hinzu, damit man nicht denken könnte, in ihrem Garten blühten nur Rosen, »man darf nicht vergessen, daß wir uns wegen Fintans Krankheit kennengelernt haben. Das hat uns einander sehr nahe gebracht, aber andererseits … es heißt auch, daß wir Sorgen und Schuldgefühle haben. Und natürlich ist JaneAnn sauer auf mich. Es ist eben nichts vollkommen.«
»Das stimmt«, sagte Tara und versuchte, nicht zu lächeln.
»Aber«, gab Liv dann fairerweise zu, »es könnte nicht besser sein.«
Ungefähr Mitte Februar erreichte sie die Nachricht, daß Thomas eine neue Freundin hatte. Es war Marcy, die Frau, die auf Eddies Geburtstagsparty erzählt hatte, sie hoffe, durch künstliche Befruchtung schwanger zu werden.
»Das paßt«, sagte Tara tapfer. »Sie muß es bitter nötig haben.«
Obwohl alle ihr zur Seite standen, war die Nachricht ein heftiger Schlag für sie. »Die Eifersucht bringt mich um«, gestand sie. Sie war blaß und angespannt. »Ich muß immer daran denken, wie nett er zu mir war.«
»Er war nie nett zu dir«, erwiderte Katherine.
»Doch, das war er, Katherine. Am Anfang war er richtig süß. Warum hätte ich mich sonst mit ihm zusammengetan? Und warum bin ich so lange bei ihm geblieben?«
»Das weißt du am besten.«
»Weil ich wollte, daß es wieder so wie am Anfang werden würde. Ich weiß, daß die Trennung besser für mich ist, aber irgendwie denke ich immer noch, daß er mir gehört. Und jetzt ist er zu ihr süß, und nicht zu mir.«
»Er wird ihr das Leben noch vergällen.«
»Das ist kein Trost. Denn eigentlich sollte es mein Leben sein, das er vergällt.« Tara vergrub den Kopf in den Händen und klagte: »Ich bin es so leid, diese Gefühle zu haben. Und was es noch tausendmal schlimmer macht, ist die Tatsache, daß sie so dünn ist.«
»Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel geguckt?« Katherine ließ den Blick über Taras durch Hungern und Fitneß-Übungen schlank gewordenen Körper gleiten.
»Sie ist dauerhaft dünn«, flüsterte Tara. »Sie ist eine echte Dünne. Ich bin nur eine Hochstaplerin, und es wird nicht lange dauern, dann bin ich wieder dick.« Dann riß sie sich zusammen und sagte tapfer: »Es ist einfach ein weiterer Schritt. Wenn ich den hinter mich gebracht habe, wird es mir viel besser gehen. Es bedeutet nur«, sagte sie traurig, »daß es jetzt wirklich kein Zurück mehr gibt.«
»Wolltest du etwa zu ihm zurück?« fragte Sandro
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