Pusteblume
April noch aktuell sein würde! Ein Geringerer als Joe wäre angesichts der ganzen Dramen in Katherines Leben schreiend davongelaufen, aber Joe krempelte einfach die Ärmel hoch und nahm die Dinge in Angriff. Er erlebte Taras Trennungstraumata aus erster Hand und hatte geduldig ihre Klagegeschichte angehört. Und wenn es gelegentlich zu später Stunde zu einem Handgemenge zwischen Tara und Katherine kam, weil Tara Katherine das Telefon entreißen wollte, hatte er den Schiedsrichter gespielt.
Wichtiger noch war, daß er Katherine in ihrer Freundschaft zu Fintan unterstützte. Er beschwerte sich nie, weil sie soviel Zeit mit Fintan verbrachte, und schien nichts dagegen zu haben, Fintan häufig zu besuchen. Er hatte nicht einmal etwas einzuwenden gehabt, als Fintan bei der ersten Begegnung ganz unverhohlen mit ihm flirtete.
»Danke«, sagte Katherine, als sie nach Hause fuhren.
»Danke wofür?«
»Weil du es so gelassen hinnimmst, daß er dich angemacht hat.«
»Was gibt es da zu danken?« hatte Joe gefragt. »Ein gutaussehender Mann flirtet mit mir? Ich fühle mich geschmeichelt.«
Die Gefühle und Ereignisse waren so intensiv und konzentriert, daß Katherine und Joe schon nach kurzer Zeit sehr eng verbunden waren. Noch nie hatte eine ihrer Beziehungen so lange gedauert. Und es war schon lange her, daß sie einem Mann so sehr vertraut hatte wie Joe. Allerdings vertraute sie ihm nicht
ganz.
»Aber ich vertraue dir so viel, daß ich dir sagen kann, daß ich dir nicht vertraue.« Sie lachte.
»Danke.« Es war ihm vollkommen ernst. »Und laß dir Zeit. Ich hab es nicht eilig. Viele Menschen vertrauen mir.«
Obwohl sie ihre Vergangenheit hütete, als wäre sie ein kostbares Juwel, hatte sie schließlich doch das Gefühl, sie sollte aufhören, ihre Familie als großes Geheimnis zu behandeln. Sie kannte seine Geschichte, und ihr Schweigen, wann immer die Sprache auf ihre Eltern kam, schien ihr mit der Zeit ziemlich übertrieben. Also erzählte sie ihm eines Tages die Geschichte von ihrer verrückten Mutter und ihrem nicht vorhandenen Vater.
»Und ich dachte, du würdest mir beichten, du hättest jemanden umgebracht«, rief er, als sie nach der dramatischen Einleitung mit den Tatsachen herausrückte. »Warum tust du so, als sei es etwas, dessen man sich schämen müsse?«
»Du meinst, ich muß mich nicht schämen?«
»Natürlich nicht.«
»Aber ich bin unehelich.«
»Du bist Katherine Casey«, erwiderte er.
Obwohl sie danach ein paar Stunden ins Bett mußte, weil ihre Enthüllung sie dermaßen erschöpft hatte, bewegte sich Katherine langsam, Zoll für Zoll, auf ein angstfreies Leben zu. Und Joe erfuhr immer mehr über sie und ihr Wesen.
70
E s ist komisch«, sagte Tara eines Tages zu Katherine. »Was denn?«
»Ich glaube, ich bin über Thomas hinweg.«
»Das ist doch phantastisch! Na, es mußte ja auch leichter werden. Joe sagt immer: ›Die Zeit weilt alle Hunde‹.«
»Aber ich meine nicht nur, daß es leichter geworden ist«, sagte Tara eindringlich, »ich meine, als ich heute morgen aufgewacht bin, war es vorbei.«
An dem Morgen war es ihr nicht wie an allen anderen Tagen ergangen, als sie nach dem Aufwachen ein paar verwirrte Sekunden lang keinen Schmerz spürte, bis er dann in aller Schärfe, wie bei einem Photo, das entwickelt wird, wieder deutlich vor ihr stand.
»Es ist weg, wie weggeblasen«, sagte Tara. »Mein Leben mit ihm scheint einer anderen zu gehören, und es kommt mir so
vernünftig
vor, ihn überwunden zu haben, weil er mich einfach nicht verdient hat.«
»Wem erzählst du das?«
»Jetzt tut er mir nur noch leid.«
»Übertreib’s mal nicht.«
»Aber Katherine, er wird nie glücklich sein.«
»Gut. Könnte keinen Besseren treffen.
»Ich hätte mir noch so große Mühe geben können, ich hätte ihn nie zufriedengestellt. Wenn ich mich auf fünfzig Kilo runtergehungert hätte, dann hätte er sich über etwas anderes beschwert. Denn das Problem war nicht
ich,
sondern
er.«
»Und das sagst du nicht einfach nur so?«
»Nein! Ist das nicht wunderbar? Die ganze Zeit wollte ich mich vor ihn hinstellen, damit er sehen würde, wie dünn ich geworden bin, und jetzt ist es mir völlig einerlei, ob er es je herausfindet. Und was mit Marcy ist, interessiert mich auch nicht im geringsten. Du hast recht, er wird ihr das Leben zur Hölle machen. Und ich bin mir sicher, daß er ihr erzählt hat, ich hätte ständig geflennt, so wie er es mir von seinen früheren Freundinnen erzählt hat, und sie
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