Pusteblume
Pfoten von meinem Essen und verpiß dich!« Benjy hielt in der Bewegung inne, so daß ein Stück Quiche von der Größe eines Zehn-PenceStückes zehn Zentimeter vor seinem Mund schwebte. Sollte er es riskieren? Vielleicht besser nicht, dachte er. Amy war ganz außer sich, und man konnte einfach nicht wissen, was sie als nächstes tun würde.
»Wenn du dir sicher bist, daß du das willst.« Lorcan lächelte sie breit an. Er war furchtbar wütend, aber er würde es nicht zeigen.
»Sollen wir gehen?« fragte er Benjy, als hätte er gerade beschlossen, daß er nicht bleiben wollte. Benjy starrte ihn wie ein Kaninchen an. Er wußte nicht, was er antworten sollte, und versuchte es mit einem zögernden Nicken. Zum Glück war das die richtige Reaktion.
»Dann komm«, sagte Lorcan und marschierte durch den Raum, wobei er herabgefallene Luftschlangen in den Teppich trat und schrumpelige Ballons aus dem Weg kickte, während Benjy mit ihm Schritt zu halten versuchte.
Natürlich hatte Amy es sich ein paar Stunden später anders überlegt, und als Lorcan am Samstagmorgen aufwachte, war sein Anrufbeantworter voll mit Nachrichten, eine verzweifelter als die andere.
»Es tut mir leid!«
»Es tut mir so leid.«
»Ruf mich doch bitte an.«
»Wo bist du nur?«
»Bitte, bitte ruf mich an!«
»Hör dir das an«, sagte er höhnisch zu Benjy, der auf dem Sofa geschlafen hatte. »Auf die Knie, meine Teuerste, auf die Knie mit dir!«
Benjy, der einen halben Meter neben Telefon und Anrufbeantworter geschlafen hatte, hatte jede einzelne von Amys Botschaften gehört. »Rufst du sie an?« fragte er, weil ihm Amy leid tat.
Lorcan sah ihn angewidert an, als hätte Benjy gefragt, ob Lorcan seine eigene Milz essen wollte.
»Ob ich sie anrufe? Nach dem, was sie mir angetan hat?«
»Es war ihr Geburtstag«, sagte Benjy kleinlaut. »Du bist viel zu spät gekommen.«
»Auf wessen Seite stehst du?« fragte Lorcan kalt, und Benjy hielt den Mund.
In den nächsten sechsunddreißig Stunden hinterließ sie immer noch mehr Nachrichten, und auch am Sonntagabend, als Lorcan sich die Haare mit Conditioner behandelte, rief Amy wiederholt an. Manchmal legte sie auf, manchmal sprach sie auf das Band. »Geh doch bitte dran, wenn du da bist«, bettelte sie und versuchte, ihre Hysterie im Zaum zu halten. »Du mußt meine Anrufe bekommen haben, und wenn nicht, wo bist du dann?«
Lorcan hörte die Panik in ihrer Stimme und nickte mit grimmiger Befriedigung. Das würde sie lehren, wie ungehörig es war, ihn vor allen anderen anzuschreien. So über ihn herzufallen und einfach Schluß zu machen. Ihn so zu erschüttern, daß er Benjy erst am Sonntagnachmittag nach Hause gehen lassen konnte.
Im Lauf des Wochenendes hatte er sich in seiner Wut immer mehr in der Position desjenigen verschanzt, dem Unrecht geschehen war und der sich verteidigen mußte. Und als
er
am Sonntagabend ins Bett ging, war ihm zumute wie einem, dem alle Ungerechtigkeiten dieser Welt zugefügt worden waren. Eingehüllt in sein rosafarbenes Tuch und einen Kokon aus scheinheiliger Selbstgerechtigkeit schlief er tief und fest.
Aber jetzt war er wach.
Er sah auf seine Uhr: zehn nach vier. Was hatte ihn geweckt?
Mit Sicherheit nicht das schuldbewußte Nagen seines Gewissens, denn er hatte keins.
Während er im Dunkeln lag und sich an seinem Penis festhielt, hörte er plötzlich, daß es an der Tür läutete. Dann wurde ihm klar, daß es schon seit einer Weile läutete und daß das der Grund war, warum er aufgewacht war.
Wer könnte es sein? Amy etwa? Ja, natürlich, es könnte Amy sein.
Es wäre nicht das erste Mal, daß eine Frau mitten in der Nacht völlig aufgelöst und außer sich bei ihm aufgekreuzt war, weil er sich geweigert hatte, ihre Anrufe zu beantworten. Na gut, beschloß Lorcan, er würde sie schmoren lassen. Warum sollte er sie von ihrem Unglück erlösen? Sie hatte ihm gesagt, sie wolle ihn nie wieder sehen. Sie hatte ihn verletzt.
Dann läutete es erneut, und Lorcan überlegte, ob er nicht doch öffnen sollte. Ganz offensichtlich tat es ihr leid, und vielleicht hatte sie genug gelitten. Beim nächsten Läuten stand er auf und ging zur Tür.
Zu seiner Überraschung hörte er merkwürdige Geräusche vor seiner Tür auf dem Treppenabsatz. Stimmen. Mehrere Stimmen. Wenigstens eine gehörte einem Mann – es war also nicht Amy, die in ihrem Herzensschmerz Selbstgespräche führte. Dann hörte er Geräusche wie von einem Funkgerät, als wäre ein PizzaLieferant oder ein
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