Pusteblume
ist?
Oder liegt es daran, daß die Mädchen aus Limerick im letzten Sommer über deine Sandalen gelacht haben?«
Katherine wäre es nur recht gewesen, wenn Tara in ihren Überlegungen berechnend gewesen wäre. Damals brachte ein schwuler Freund noch enorm viel Prestige, außerdem hatte es Seltenheitswert. Wenn man Fintan an seiner Seite hatte, konnte man bestimmt die Mädchen aus Limerick beeindrucken, vielleicht sogar die aus Dublin. Das zog mehr als ein Sweatshirt mit Pailletten und dazu ein Paar weiße Tukka-Stiefel mit Fransen und Perlenbesatz.
Tara war entsetzt, daß Katherine glaubte, Fintan sei für sie nur ein modisches Attribut. »Nein. Der einzige Grund ist, daß er keine Freunde hat.«
Katherine wollte sich nicht überzeugen lassen. »Und sowieso«, sagte sie mit einem sauren Geschmack im Mund, »er ist bestimmt nicht schwul, wo es doch in Knockavoy keinen gibt, mit dem er schwul sein kann.«
Mit Bestürzung stellte Katherine fest, daß auch dieses Argument Tara nicht abhalten konnte, und sie mußte zwei schmerzhafte Wochen erdulden, in denen das Bündnis mit Fintan geschmiedet wurde. Stumm vor Angst wartete sie ab und war sich sicher, daß sie in dem Augenblick,
da
Fintan und Tara offiziell Freunde waren, abgeschrieben sein würde. Starr vor sich hin lächelnd sehnte sie sich danach, von Tara eine Bestätigung ihrer Freundschaft zu bekommen, wußte aber nicht, wie sie darum bitten sollte. »Wir beide werden immer Freundinnen bleiben«, sagte Tara, die eine undeutliche Ahnung von Katherines Kummer hatte, »aber wir können den armen Fintan nicht allein lassen.«
»Armer Fintan, Blödsinn«, murmelte Katherine unterdrückt. Doch zu ihrer Überraschung verstand sie sich auf Anhieb mit Fintan, und zwar so gut, daß Tara fast das fünfte Rad am Wagen war. Da war die Gemeinsamkeit, daß Katherine und Fintan ohne Vater aufgewachsen waren. Fintans Vater war gestorben, als Fintan sechs Monate alt war. Und Fintan fand großen Gefallen daran, daß Katherine aussah, als könne sie kein Wässerchen trüben, aber sich dennoch nicht die Butter vom Brot nehmen ließ. Er wollte sie als Audrey Hepburn in der Rolle der Holly Golightly aus
Frühstück bei Tiffany
ausstatten. »Du bist zierlich und apart, genau wie Audrey Hepburn«, sagte er. Tara versuchte, ihren Neid herunterzuschlucken.
Obwohl Katherine ein bißchen skeptisch war, was Gespräche über breitkrempige Hüte und GivenchyKleider anging, war sie doch sehr erleichtert, daß Fintan sie mochte. Jetzt hatte sie nicht nur eine Freundin, sondern dazu auch einen Freund. Bei ihrer Granny stieß die neue Freundschaft jedoch nicht auf uneingeschränkte Zustimmung. »Mit wem warst du aus?« fragte Agnes eines Abends im Frühjahr, als Katherine mit von der Kälte geröteten Wangen ins Haus kam.
»Mit Tara, und mit Fintan O’Grady«, sagte sie mit einem gewissen Stolz.
»Fintan O’Grady«, sagte Agnes. »Vielleicht kannst du mir mal erklären, warum er in JaneAnns Morgenmantel rumläuft.«
»Weil er schwul ist«, antwortete Katherine.
»Schwul!« empörte sich Agnes. »Das wird ja immer schöner! Schwul, es ist kaum zu glauben.«
Katherine und Delia waren überrascht, weil Agnes normalerweise so tolerant war.
»Ich werd ihm zeigen, was schwul ist«, drohte sie.
Delia war entsetzt und nahm sich vor, einen Kuchenverkauf zu veranstalten, um über Homosexualität aufzuklären. »Mama … ich meine Agnes, du darfst nicht so engstirnig sein. Fintan kann doch seine sexuellen Neigungen ausleben…«
»Ich spreche gar nicht von seinen sexuellen Neigungen«, fuhr Agnes sie an. »Es kümmert mich nicht im geringsten, was er für sexuelle Neigungen hat. Meinetwegen kann er es mit den Hühnern treiben, und viel Glück dabei. Vielleicht legen sie dann besser. Aber er verdirbt JaneAnn den guten Morgenmantel, wenn er immer auf der Straße damit rumläuft. Wo kämen wir denn da hin, wenn wir alle in unseren Schlafanzügen auf die Straße gingen?«
Fidelma, Taras Mutter, hingegen war entzückt von Fintan. Wenn Tara und Katherine ihn nach der Schule mitbrachten, setzte er sich auf die Schlafcouch, schlug wie ein Mädchen die Beine unter, rauchte filterlose Zigaretten mit einer elfenbeinernen Zigarettenspitze und sprach mit ihr über Filme. Während Taras drei jüngere Brüder, Michael, Gerard und Kieran, durch den Türspalt lugten und beim Anblick der seltsamen, exotischen Erscheinung feixten, unterhielten sich Fidelma und Fintan über
Blondinen bevorzugt
und
Das süße
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