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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Fortschritte der Menschheit, auf einer Stufe mit der Erfindung des Rads. Sie wünschte sich, die Welt würde nach dem gleichen Prinzip funktionieren. Ausgaben auf der linken Seite, Einnahmen auf der rechten, so daß man immer wußte, woran man war. Phantastisch.
    Um ein Uhr tauchte Joe etwas verlegen an ihrem Schreibtisch auf. Seine anfängliche Euphorie war einem unbehaglichen Gefühl gewichen, weil er sie ausgetrickst hatte.
    »Ach ja, richtig, der Noritaki-Lunch«, sagte sie unliebenswürdig und ließ ihn neben ihrem Schreibtisch stehen, während sie die Berechnung zu Ende führte. Das hätte warten können, aber wozu?
    Als sie den Rechner abschaltete, merkte sie plötzlich, daß sie dringend zur Toilette mußte, aber sich nicht traute, das zu sagen. Sie könnte ja im Restaurant auf die Toilette gehen. Aber warum sollte sie es nicht jetzt tun? Schließlich bedeutete er ihr nichts. In der fernen, versunkenen Vergangenheit, als sie manchmal in einen Mann verliebt gewesen war, war das etwas anderes gewesen. Damals mußten alle Bedürfnisse übergangen und geleugnet werden, getilgt. Doch nicht bei Joe Roth. »Ich muß noch zur Toilette«, sagte sie so kühl es ging. Sie ließ ihre Handtasche absichtlich auf dem Schreibtisch stehen, damit er nicht denken sollte, sie würde sich für ihn die Haare bürsten und die Lippen nachziehen.
20
    E r ging mit ihr in ein Restaurant, das zu Fuß erreichbar war. Katherine war dankbar. Der Gedanke, mit ihm in einem Taxi eingeschlossen zu sein, löste in ihr Beklemmungen aus. Allerdings war es auch nicht angenehm, neben ihm zu laufen. Sie fühlte sich steif und konnte ihn nicht ansehen. Außerdem gingen sie nicht gleich schnell, weil beide das natürliche Tempo des anderen zu erraten versuchten, um sich dem anzupassen. Weil Joe sehr groß war, hatte Katherine vermutet, daß er schnell gehen würde, und da sie nicht hinter ihm herhinken wollte, holte sie kräftig aus. Doch kurz darauf merkte sie, daß sie außer Atem geriet, und drosselte das Tempo. Als er merkte, daß sie langsamer wurde, ärgerte er sich über sich selbst, weil er dachte, er hätte sie gezwungen, mit seinen langen Beinen Schritt zu halten, und blieb fast stehen. Dann fiel Katherine auf, wie unnatürlich langsam er schlich, und beschleunigte wieder. Auch er ging wieder schneller, weil er dachte, er sei zu langsam geworden. Und auf diese holprige Art und Weise, mit Stocken und Wieder-Loslegen, kamen sie beim Lemon Capiscum an.
    Es war ein teures, lautes, trendbewußtes Restaurant, das seine Viertelstunde der Popularität erlebte. Mit der geschwungenen Front aus Glasbausteinen und der Fülle an hellem Holz ähnelte es dem Lokal, in dem Katherine am Freitagabend mit Tara gewesen war. Die Speisekarte brauchte sie gar nicht erst zu lesen. Sie hätte wetten mögen, daß Mahi-Mahi auf der Karte stand.
    Joe hatte ihnen wohlweislich einen Tisch zwischen zwei Trennwänden reservieren lassen. Hier waren sie vor dem Lärm ein wenig geschützt, so daß Katherine sich entspannte. Und sogar ein Glas Wein bestellte. »Sehen Sie mich nicht so an«, sagte sie hochnäsig, »ich arbeite zwar viel, aber ich bin trotzdem ein Mensch.«
    »Ich sehe Sie gar nicht ›so‹ an«, sagte er mit seinem Strahlelächeln. »Wenn Sie ein Glas Wein bestellen wollen, dann tun Sie das. So viele Sie wollen.«
    Sein Blick war voller Wärme, so daß sie kurz und bündig sagte: »Lassen Sie uns mit der Besprechung beginnen. Was den Noritaki-Auftrag angeht, so konzentrieren sich die Ausgaben zum gegenwärtigen Zeitpunkt –«
    »Katherine«, unterbrach er sie sanft, und die Art und Weise, wie er es sagte – fast traurig –, bewirkte, daß sie am liebsten auf der Stelle gegangen wäre. »Lassen Sie uns doch erst bestellen.« Und plötzlich beschloß sie, mal loszulassen, sich eine Pause zu gönnen, wenigstens eine Stunde. Seit drei Wochen hatte sie ihn abgewehrt, und ihr war die Munition ausgegangen. Was soll’s, dachte sie. Ich bin auch nur ein Mensch. Warum sollte ich einem Mann nicht gestatten, nett zu mir zu sein? Nur für eine Stunde. Und das Lächeln, mit dem sie Joe im nächsten Moment ansah, war zum ersten Mal frei von Sarkasmus und Spott.
    »Haben Sie sich für eine Vorspeise entschieden?« fragte er mit einem Blick auf ihre zusammengeklappte Speisekarte. »Wahrscheinlich den Risotto Chanterelle mit Trüffel Raspeln«, sagte sie mit einem Zwinkern. »Und Sie?«
    »Die Koriander-Zitronengras-Suppe. He!« sagte er dann, nachdem er die Speisekarte

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