Pusteblume
»Draußen schüttet es, der Regen prasselt an die Fensterscheiben, aber Sie sind im Warmen, das Feuer knistert, Sie liegen auf dem Sofa mit einer warmen Decke, eine Flasche Rotwein –«
»Sie tragen dicke Socken und bequeme Hosen«,
unterbrach Katherine ihn, über ihr Interesse selbst überrascht.
Joe nickte. »Ein chinesisches Essen haben Sie schon bestellt…«
»Im Fernsehen läuft ein schöner Film…«
Joes Augen leuchteten. »Schwarzweiß…«
»Natürlich…«
»Die Nacht vor der Hochzeit …?«
»Casablanca…?«
»Nein«, sagten sie wie aus einem Munde.
»Ein Herz
und eine Krone!«
Sie sahen sich an. Plötzlich waren sie auf so intime Weise verbunden, daß Katherine das Gefühl hatte, er habe ihre Seele gestreift. So daß sich eine Gänsehaut darauf bildete. Als die Bedienung diesen Moment wählte, um sich zwischen ihre beiden Köpfe zu schieben und zu fragen, ob sie fertig seien, hätte Katherine sie umarmen mögen, während Joe sie am liebsten mit Knüppelschlägen vertrieben hätte.
In einem Versuch, den Zeitpunkt des Aufbruchs hinauszuzögern, ermunterte Joe Katherine, einen Nachtisch zu bestellen. »Wie wäre es mit einem dreifarbigen Schokoladenkuchen?« schlug er nach einem Blick auf die Speisekarte vor. »Oder Caramelcreme mit Parfait?«
Katherines Mund wurde schmal. Wofür hielt er sie eigentlich? Dachte er, sie sei eine Frau? »Bestellen Sie noch etwas?« fragte sie.
»Nein, aber…«
»Also, dann«, erwiderte sie kalt. Und er fragte sich, was er verkehrt gemacht hatte. Es war so gut gegangen. Aber Katherine hatte auf die Uhr gesehen. Die Stunde war um. Sogar weit überschritten, und sie ärgerte sich über sich selbst und über ihn.
Ihr Gesicht hatte sich wieder verschlossen. Sie bestellte einen doppelten Espresso und fing an, die Einzelheiten des Noritaki-Auftrags aufzuzählen.
Und damit er verstand, daß die Zeit für Spaß und Spiel eindeutig vorbei war, nahm sie einen Computerausdruck aus der Tasche. Und legte – aus keinem anderen Grund als purer Grausamkeit – ihren Taschenrechner daneben. »Wie wäre es mit einem Likör?« fragte Joe, als sie fertig war. »Nur einen, dann gehen wir.«
Sie schüttelte den Kopf, ihre Miene war versteinert. »Kommen Sie. Was hat ein weiser Mann einst gesagt?
›Won’t you stay, just a little bit longer?‹«
»Und um einen der Größten dieses Jahrhunderts zu zitieren«, gab Katherine kühl zurück und ließ ihren Taschenrechner in ihre Handtasche fallen: »›Das wär’s, Leute.
Sie erhob sich.
Sie ließ ihn die Rechnung bezahlen und trampelte ihre Schuldgefühle mit den Füßen tot. Schließlich hatte sie gar nicht ausgehen wollen. Aber als er sich zum Gehen bereit machte, sagte sie spitz: »Vergessen Sie nicht, die Quittung einzustecken, damit Sie sie einreichen können.«
Als sie seinen Blick sah verletzt und angewidert von ihrer grundlosen Häßlichkeit –, bereute sie beinahe, was sie gesagt hatte.
Es war fast vier, als sie wieder im Büro waren. Das hätte nicht passieren dürfen. Nun, es würde nie wieder passieren, dafür würde sie sorgen. Abgesehen davon würde er bestimmt noch vor Ende des Monats rausfliegen. Für Breen Helmsford war er sowieso schon viel zu lange dabei. Und nichts würde ihr größeres Vergnügen bereiten, als seine Abfindungspauschale auszurechnen.
Das Problem war nur, daß er seine Arbeit gut machte und die Mitarbeiter ihn mochten. Das erzeugte in ihr ein unangenehmes Gefühl der Angst.
Doch als sie an dem Abend nach Hause kam, war ihre Boshaftigkeit verflogen, statt dessen hatte sich warme Zufriedenheit in ihr ausgebreitet, ohne daß sie es bemerkt
hätte. Bis es Tara auffiel und sie darauf hinwies. Und das paßte ihr gar nicht.
21
A ls Tara die Wohnungstür öffnete, bemüht ihre, Einkäufe unentdeckt einzuschmuggeln, war Thomas im Flur, und Beryl strich besitzergreifend um seine Beine. »Wie war dein Steptanzkurs?« fragte er. Es dauerte einen Moment, bevor sie verstand, wovon er sprach.
»Mein Steptanzkurs? Och, hart«, log sie. »Anstrengend.«
»Gut.« Thomas machte ein befriedigtes Schmatzgeräusch.
Vielleicht war es ihr Hunger, vielleicht auch unterdrückte Wut über das, was Thomas am Samstagabend zu ihr gesagt hatte – irgend etwas war der Grund, daß Tara Thomas plötzlich wie eine Furie anschrie: »Gut? Gut? Kriege ich ein goldenes Abzeichen? Oder eine gute Note? Was kriege ich denn? Acht von zehn Punkten? Ein B minus? Oder C plus? Herr im Himmel!«
Thomas’ Augen traten vor
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