Pusteblume
mal zu«, herrschte Fred sie an. Er sprach höchst ungern mit ihr. Bei ihr hatte er immer das Gefühl, als wäre er gerade unter einem Stein hervorgekrochen. Es hatte damals angefangen, als er sie in ihrer ersten Woche bei Breen Helmsford zu einem Drink eingeladen hatte. Sie hatte geantwortet: »Ich gehe nie mit verheirateten Männern aus.«
Fred hatte sich voller Unbehagen gewunden und gesagt: »Das ist nur eine freundliche Geste, weil ich möchte, daß Sie sich bei uns wohl fühlen«, aber sie hatte ihn mit einem eisigen Blick abserviert. Und als er aufhörte, sich selbst zu hassen, richtete sich sein Haß auf sie.
»Sie werden mit Joe Roth zum Lunch gehen und über die Budgets sprechen.«
»Ist das ein Befehl?«
»Ja, so kann man es sehen.«
»Sie sind nicht mein Vorgesetzter.« Sie lächelte. Stumm sagte sie dann noch: Tatsächlich stehen wir kaum auf der gleichen Stufe, und ihr gekünsteltes Lächeln wurde noch eine Spur künstlicher.
»Ich weiß, daß ich nicht Ihr direkter Vorgesetzter bin«, sagte Fred, dem dies furchtbar verhaßt war, »aber der Mann macht sich Sorgen über die Aufträge. Breda ist ein tolles Mädchen, aber Joe will sich nicht mit ihr abspeisen lassen.«
»Ein zweireihiger weißer Anzug«, sagte Katherine nachdenklich, »mit einem Pelzmantel, lässig über den Schultern, eine Kreissäge schief auf dem Kopf, und rechts und links eingehakt eine Hure in kurzem, rotem Kleid.«
»Was soll das?«
»Sieht so nicht ein Zuhälter aus?«
»Ein Zuhälter?« Fred war empört. »Ich bin doch kein Zuhälter! Er will nur mit Ihnen zum Lunch gehen.«
Feindseligkeit knisterte in der Luft, und einen Moment wünschte Katherine sich, sie wäre wie die anderen. Warum konnte sie sich in Gruppen nicht wohl fühlen? Warum hatte sie sich nicht von Fred Franklin zu einem Drink einladen lassen? Und eine kleine Bettgeschichte mit ihm angefangen? Eine Affäre mit einem verheirateten Mann wäre nicht das Schlimmste, das wußte sie nur zu gut. Und es hätte ihr das Leben im Büro leichtergemacht. Sie wußte, daß sie nicht beliebt war, und manchmal bekümmerte sie das. Heute zum Beispiel.
»Es geht nur um einen Lunch«, sagte Fred noch einmal, und seine Augen traten vor Erregung hervor. »Sie sollen über die Arbeit sprechen.«
Es ging tatsächlich nur um einen Lunch, mußte Katherine zugeben. »Also gut«, seufzte sie.
Triumphierend marschierte Fred zu seinem Goldfischglas-Büro zurück. »Das geht klar, mein Guter«, sagte er zu Joe, der mit besorgter Miene wartete. »Vergiß nicht, uns alles haarklein zu erzählen, wenn du zurückkommst.«
Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. »Die Typen von Geetex sind hier«, sagte er.
In seiner gehobenen Stimmung gab Joe eine blendende Präsentation. So überzeugend war seine Darbietung, daß die Geetex-Abordnung beinahe selbst an die Vorzüge ihrer Tampons zu glauben anfing.
»Sieht ganz so aus, als hätten wir das in der Tasche«, meinte Myles, als er die Geetex-Leute wie verzaubert abziehen sah.
Nach einer erfolgreichen Präsentation ging normalerweise das ganze Team zu einem ausgedehnten und alkoholreichen Lunch. Joe entschuldigte sich jedoch, schickte seine Kollegen aber mit den besten Wünschen auf den Weg und versäumte es auch nicht, sie vorher zu fragen, in welches Restaurant sie gehen würden. Er hatte vor, mit Katherine in ein Lokal zu gehen, das ziemlich weit davon entfernt war.
Katherine hatte sich ihrerseits den ganzen Morgen mit Zuwachsraten beschäftigt, und Joe Roth war ihr währenddessen völlig aus dem Sinn gekommen. Sie bediente sich nicht der durchsichtigen Entschuldigung, zur Bank oder in die Drogerie gehen zu müssen, um dann zur Oxford Street zu hasten und dort Zahnbürste und Zahnpasta, neuen Lippenstift, neue Grundierungscreme, ein Deo-Spray, extra-feine Strümpfe, hochhackige Schuhe und ein neues Kostüm mit kurzem Rock zu kaufen, zu Ehren des überraschend verabredeten Lunchs.
Sie weigerte sich, Erregung zu empfinden. Nach Jahren der Übung fiel es ihr gar nicht mehr schwer, aufkommende Vorfreude zu unterdrücken.
Natürlich war die Arbeit enorm hilfreich, die so wunderbar geordnete Welt der Zahlen, wo alles seinen Platz hatte. Wenn es aufging, hatte man richtig gerechnet. Es gab einfach keinen
Grund
für Zweifel. Und wenn es nicht aufging, mußte man alles noch einmal überprüfen, bis man den Fehler gefunden hatte, und dann brachte man das in Ordnung.
In Katherines Augen war die doppelte Buchführung eine der großen
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