Pusteblume
Method-Actor für seine Rolle übte. Trotz der Oberflächlichkeit der Figur, die er im Fernsehen darstellte (und die ein armseliger Abklatsch des echten Lorcan Larkin war), war Lorcan ein Sexsymbol. Er wurde gefeiert und verehrt. Er wurde dem Taoiseach und dem Präsidenten vorgestellt, und ein Tag, an dem er in seiner Fanpost nicht ein Paar Höschen zugesandt bekam, war ein verlorener Tag für ihn. Obwohl die Boulevardpresse die erbitterten Tiraden seiner Frau veröffentlichte, die ihm in den mageren Jahren beigestanden hatte und die er fallenließ, sobald die fetten Zeiten begannen, ließ die Verehrung, die ihm entgegengebracht wurde, nicht nach. Doch Lorcan reichte das nicht – er war nie zufrieden. Der Erfolg in Irland war ihm suspekt. Er nahm an, daß die Leute dort keine Ahnung hatten. Zwar waren die Iren eine Nation mit einer besonders großen und vielseitigen literarischen Tradition, aber er mußte von Menschen bestätigt werden, auf die es ankam, wenn man so will.
Deswegen hatte er vier Jahre zuvor, als der Medienrummel um ihn herum tobte, Irland verlassen. »Ich werde auch nicht jünger«, scherzte er vor den Journalisten. Er selbst glaubte kein Wort von dem, was er sagte – denn er hielt sich für unsterblich.
Dann ging er nach Hollywood, um denen mal zu zeigen, was es hieß, ein richtiger Schauspieler zu sein. Er stellte sich vor, daß er binnen weniger Tage an seinem höchsteigenen azurblauen Swimmingpool, mit Drehbüchern überhäuft, liegen würde und die Regisseure ihm die Bude einrennen würden.
Es war für ihn jedoch ein sehr unangenehmer Schock, als er erkennen mußte, daß es in Hollywood gerade so viele Iren mit Sex-Appeal gab, wie die Filmwelt verkraften konnte. Drei waren reichlich. Mit Pierce Brosnan, Liam Neeson und Gabriel Byrne war der Bedarf gedeckt, schönen Dank. Anscheinend waren schottische Schauspieler gerade
en vogue,
und Hollywood konnte nicht genug von ihnen bekommen. Einen Moment erwog Lorcan, sich Ewan zu nennen.
Doch er ließ sich nicht entmutigen und nahm eine Rolle als schwuler Cyber-Vampir in einem Autorenfilm an, bei dem während der Dreharbeiten im Studio jedesmal die Kulissen umfielen, wenn einer die Tür zumachte. Seine Gage bekam er nie, weil das Geld ausging, bevor die Hälfte der Dreharbeiten abgeschlossen waren. Unmittelbar im Anschluß an diesen Mißerfolg ergatterte Lorcan eine Rolle – sogar die Hauptrolle – in einem Pornofilm, nachdem der Regisseur auf der Männertoilette gesehen hatte, daß Lorcan die Voraussetzungen dafür erfüllte.
Danach war er ziemlich entmutigt. Die einzigen azurblauen Swimmingpools, in deren Nähe er gelangte, waren die, die er reinigte, um leben zu können.
Schließlich, nach einem Jahr und zwei Monaten der »schöpferischen Pause«, mußte er sich eingestehen, daß sein Plan nicht aufgegangen war. Allerdings konnte er nicht zugeben, daß er gescheitert war. Er wohnte in einem heißen, luftlosen, neun Quadratmeter großen Zimmer mit einer »fensterähnlichen Vorrichtung« – kein Fenster, sondern eine Plastik-Jalousie, die an der nackten Betonwand hing – in Little Tijuana. In der letzten Woche hatte er zum Frühstück, Lunch und Abendessen Marshmallows gegessen. Sein Auto mußte er wieder zurückgeben, weil er im Rückstand war, so daß er eine dreistündige Busfahrt durch die Stadt auf sich nehmen mußte, um Termine zum Vorsprechen wahrnehmen zu können. Nicht daß er oft zum Vorsprechen mußte – Lorcan war in Hollywood völlig unerwünscht, wahrscheinlich würde es ihm nicht einmal gelingen, verhaftet zu werden.
Bis zu dem Zeitpunkt war ihm der Erfolg auf den Fersen geblieben. Die Tatsache, daß er von ihm verlassen worden war, hatte zermürbende Ängste und Unsicherheit ausgelöst. Sein Ego war so groß und doch so zerbrechlich, daß er mehr Bestätigung als jeder andere brauchte, um weiter zu existieren. Mehr Erfolg, mehr Beifall, mehr Geld, mehr Frauen. Deswegen war es dringend geboten, daß er diesen Ort, an dem er ein Niemand war, wieder verließ.
Sein Geld reichte gerade für den Flug zurück nach Europa. Doch auf keinen Fall würde er wieder nach Irland gehen.
Nicht, nachdem sie ihn so belogen und ihn glauben gemacht hatten, daß er ein Star war, wenn er offenbar keiner war. Statt dessen ging er nach London, wo er seine Demütigung in der riesigen Stadt zu verstecken hoffte. Er zog in ein kleines, schäbiges Zimmer in Camden und teilte die Wohnung mit einem freundlichen, rundlichen Mann, der Benjy hieß und
Weitere Kostenlose Bücher