Pusteblume
unbedingt einen guten Eindruck machen will.« Dann zuckte er die Achseln. »Tut mir leid«, sagte er und zog sich zurück, während Amy ihm sehnsüchtig nachschaute. Kurz darauf kam sie, wie nicht anders erwartet, auf ihn zu. Er war am Ziel! Ein Hochgefühl durchströmte ihn. Wie er dieses Spiel liebte! Keiner kam ihm gleich. Er war der Meister, wirklich und wahrhaftig!
Am folgenden Tag berief Amy eine außerordentliche Generalversammlung ihrer Freunde ein. »Es war mir so peinlich«, rief sie. »Der Ausdruck auf seinem Gesicht! Er ist doch tatsächlich rot geworden. Er wollte mir unbedingt Feuer geben. Und er ist atemberaubend attraktiv. Wenn ihr ihn seht, werdet ihr kaum glauben, was für ein Schatz er ist. Wie findet ihr das? Ein gutaussehender Mann, der rücksichtsvoll und verletzlich ist. Ich weiß, daß es sehr schnell geht, und vielleicht übertreibe ich ein wenig, aber ich glaube wirklich, daß er…«, sie schwieg einen Augenblick und blies zitternd den Rauch aus, »… der Richtige ist.«
Ein paar Tage später, als Benjy mitbekam, daß Amy von nun an Lorcans Freundin sein würde, geriet er in eine Krise. »Ich dachte, es sei nur eine Fallstudie«, jammerte er und wand sich unter dem Schock und vor Eifersucht. »Ich dachte, du hättest nur mit ihr geschlafen, um mir zu zeigen, wie man es macht.«
»Also wirklich, Benjy.« Lorcan schüttelte mißbilligend den Kopf. »Wie redest du denn? So behandelt man doch andere Menschen nicht!«
23
D er erste Sommer der Freundschaft von Fintan, Tara und Katherine war wie verzaubert, obwohl Frank Butler erklärte, Fintan O’Grady sei ein schlechter Einfluß. In O’Connells Pub legte er es ausführlich jedem dar, der willens war, ihm zuzuhören. Allerdings gelang es ihm nicht, viele Anhänger für seine Theorie zu finden.
»Was für einen Schaden richtet er schon an?« fragte Tadhg Brennan und dachte an Fintan mit Fledermausärmeln und in Pluderhosen. »Er bringt ein bißchen Schwung in die Bude. Außerdem ist es nur eine Phrase.«
»Und wenn er mit der Phrase … ehm
Phase
fertig ist, hat er meine Tochter voll und ganz verdorben.«
Darauf schwiegen Franks Freunde. Es war nicht fair, Fintan O’Grady die Schuld zu geben. Tara Butler wäre früher oder später sowieso verdorben gewesen. Mit vierzehn hatte sie schon so etwas an sich.
Sie war sehr beliebt bei den Fischerjungen aus dem Dorf, für die es eine Vollzeitbeschäftigung war, Hosen mit Schlag zu tragen und an der Ecke Main Street und Small Street herumzulungern – berufsmäßige Eckensteher, die diese Tätigkeit sicherlich in ihrem Lebenslauf erwähnen würden.
»Hier ist meine Brust, der Rest kommt auch gleich.« Sie stießen sich gegenseitig in die Rippen, wenn sie Tara herannahen sahen.
»Ein feines Weibsbild bist du«, riefen sie ihr nach, wenn sie an ihnen mit hocherhobenem Kopf vorbeirauschte, kurvenreich und sexy. »Mir wär’s recht, wenn du in meiner Herde wärst. Sollen wir uns einen Dachboden suchen?«
»Liebeswerben im Knockavoy-Stil«, lästerte Katherine und lachte.
Keiner kam auf die Idee zu sagen, daß die gradlinige Katherine ein feines Weibsbild sei. Im Gegenteil, die Eckensteher riefen ihr manchmal nach: »He, du Flacharsch, da kann ich ja gleich ‘ne Bohnenstange nehmen.«
Tara machte sich Sorgen um sie. »Macht es dir was aus…?«
»Macht mir was was aus?«
»Daß sie nicht sagen…«, Tara zögerte, »sie wollen dich in ihrer Herde haben.«
Der Blick, den Katherine ihr zuwarf, definierte das Konzept der Verachtung neu.
»Nein? Dann ist es ja gut«, murmelte Tara nervös.
Mit ihren vierzehn Jahren war Tara sehr an Jungen interessiert, obwohl sie mit denen aus dem Dorf nichts zu tun haben wollte. Sie lebte für die Sommermonate, wenn die Knappheit vorübergehend ein Ende hatte; es gab zwar kein Gelage, aber doch eine anständige Mahlzeit, wenn jede Woche neue Jungen in dem Wohnwagenpark eintrafen. Tara und – in geringerem Maße – Fintan richteten es so ein, daß sie Zeit für jeden hatten.
»Niemand fährt enttäuscht nach Hause!« sagte Fintan immer wieder.
An den endlosen Sommerabenden saßen Tara, Katherine und Fintan stundenlang im rosa Abendlicht auf der Kaimauer, bis die Sonne schließlich fern am Horizont im Meer versank.
»Da drüben ist Amerika«, sagten sie dann. »Nächste Haltestelle New York.« Dann kniffen sie die Augen zusammen, falls sich, am Horizont, das Schimmern der Freiheitsstatue erahnen ließ.
»Irgendwann«, sagten sie sehnsüchtig.
Weitere Kostenlose Bücher