Pusteblume
seinen Lebensunterhalt mit der Bearbeitung von Strafzetteln verdiente.
Lorcan gab sich redlich Mühe, seine Verluste wettzumachen und sein Selbstbewußtsein wiederherzustellen, indem er verächtlich über den Müll sprach, der in Hollywood fabriziert wurde. »Die Bühne war immer meine große Liebe«, sagte er gegenüber dem
Guardian. Es
handelte sich hierbei um den
Camden Guardian,
die einzige Zeitung, die sich dafür interessierte, daß er sich in London niedergelassen hatte. (Und auch nur deshalb, weil seine Wohnung neben dem Büro des
Guardian
lag.) »Das stimmt wirklich.« Lorcans Selbstbewußtsein hatte zwar in Hollywood ziemlichen Schaden erlitten, aber er fand einen Agenten und fing an, in London vorzusprechen. Doch die Welt der Schauspieler ist unglaublich empfindlich und spürt den leisesten Anflug von Verlierertum auf tausend Schritte Entfernung. Ausgesprochen gutaussehend und mit fast bedrohlichem Sex-Appeal versehen, wie Lorcan war, umgab ihn dennoch ein schwacher Hauch des Vergangenen. Manche gingen sogar soweit, darin den Geruch des Nie-Gewesenen zu sehen.
Niemand will damit in Zusammenhang gebracht werden. Es könnte ansteckend sein. Während also die Frauen, die das Casting machten, sehr gern mit ihm schliefen, waren sie nicht so leicht bereit, ihm eine Rolle in ihrer Produktion zu geben. Der Stolz hielt ihn aufrecht. Der und die Tatsache, daß er zu nichts anderem taugte. Er hatte keine Wahl, als sich nach jeder Enttäuschung wieder hochzurappeln und einen neuen Versuch zu starten.
In den zwei Jahren in London hatte er für
Hamlet, King Lear, Macbeth
und
Othello
vorgesprochen. Nach zehn Monaten der Ablehnungen hatte er schließlich eine Rolle bekommen. In
The Bill.
Er spielte die Rolle eines Bombenbastlers bei der IRA und hatte nur einen Satz zu sprechen: »Jesus, die sind hinter uns her. Renn, Mickey!«
Groß war seine Enttäuschung, daß diese
tour de force
ihm keine weiteren Türen öffnete, und bei allem geschliffenen und arroganten Gehabe war er verzweifelt. Er konnte es nicht ertragen, wenn er nicht der bewundertste, der begehrteste, der umworbenste Mann war. Aber noch war nicht alles verloren. Er hatte zwar keine Rollen und kein Geld und genoß auch kein Ansehen, aber er hatte immer noch die Frauen. Das war der einzige Bereich in seinem Leben, der noch funktionierte, ein Mikrokosmos, der spiegelte, wie er sich den Rest der Welt wünschte.
Bei den Frauen konnte Lorcan seine Macht mit freier Hand ausüben. Natürlich war es keine besondere Herausforderung, junge, unbedarfte Frauen zu Tränen zu rühren, aber es war besser als nichts. Es war ein sicheres Spiel, bei dem er immer als Sieger hervorging. Als die Monate vergingen und er immer noch keine Rolle hatte, wurde es schwieriger, genug für den Lebensunterhalt zu verdienen. Tatsächlich konnte von Unterhalt kaum die Rede sein. Voller Bitterkeit und Enttäuschung suchte er sich eine Stelle als Kellner. Er, der große Lorcan Larkin, war soweit gesunken, daß er Spaghetti Carbonara an Prols austeilen mußte. Wie weit war es mit den Mächtigen gekommen! Zum Glück wurde er innerhalb einer Woche rausgeworfen, weil er nicht die richtige Einstellung mitbrachte. (Der Geschäftsführer konnte Lorcan nicht begreiflich machen, daß die korrekte Reaktion auf den Wunsch eines Gastes nach einer zweiten Tasse Kaffee lautete: »Selbstverständlich, Sir, sofort«, und nicht: »Woran ist Ihr letzter Sklave gestorben? Stehen Sie doch selber auf!«) Lorcan mußte sich also nach einer anderen Einkommensquelle umsehen.
Er hätte Karriere als Gigolo machen können. Es gab reichlich ältere Damen in London, die Lorcan gern ausgehalten hätten, und das in einem Stil, an den er sich sehr schnell gewöhnt hätte. Er hätte im Gegenzug für sexuelle Dienste zur Verfügung gestanden. Aber er brachte es einfach nicht fertig. Nicht, daß er etwas dagegen hatte, mit ihnen zu schlafen, aber es mußte zu seinen Bedingungen sein.
Dann, vor sechs Monaten, passierten drei gute Dinge auf einmal. Zunächst bekam er einen Sprecher-Job für ein paar Werbespots der irischen Tourismuszentrale, was ihn nicht gerade zum Publikumsliebling der grölenden Massen machte, aber es füllte den Kühlschrank. Am Tag darauf wurde ihm eine Sozialwohnung in Chalk Farm angeboten. Er hatte wieder eine eigene Wohnung – und Benjy war tieftraurig. Und dann lernte er Amy kennen.
Benjy und er waren auf einer Party, als sie sie zum ersten Mal sahen.
Benjy betrachtete ausgiebig ihre große,
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