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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Mutter. Die Wahrheit ist bitter, aber sag sie mir ohne Umschweife. Erzähl mir keine Ammenmärchen von Krebs.«
    »Mrs. O’Grady, ich schwöre es, Fintan hat wirklich Krebs.«
    »Und du versuchst nicht, mit der Wahrheit hinterm Berg zu halten?« JaneAnn klang mißtrauisch.
    »Um mich zu schonen?«
    »Wohl kaum«, sagte Katherine, den Tränen nahe.
    An dem Abend betrank sich Fintan sinnlos. »Warum nicht?« Er lachte. »Ist vielleicht die letzte Gelegenheit in nächster Zeit.« Und seine Augen glitzerten vor wildem, bitterem Humor.
    Auch Tara, Katherine und Sandro hielten ordentlich mit, um die Schreckensvision zu bannen, aber irgendwie gelang ihnen das nicht.
    »Jesus, könnt ihr mal aufhören, Trübsal zu blasen?« beschwerte sich Fintan, als drei angespannte, blasse, unglückliche Gesichter ihn ansahen. »Schließlich bin ich es, der sterben muß.«
    Zwischendurch schien der Abend fast normal. Fast, aber nicht ganz, denn alles war ein bißchen schief. Grotesk wie ein Alptraum. Sie konnten nur eine Weile darüber nachdenken, dann erschien es ihnen wieder unfaßbar. Es war wie das Licht im Treppenhaus: Wenn man auf den Knopf drückte, leuchtete es eine Weile, dann schaltete es sich automatisch aus.
    Gegen Mitternacht kündigte Fintan an, daß er schlafen gehen wolle. »Morgen ist schließlich ein wichtiger Tag!«
    »Wir sehen uns morgen«, versprach Tara.
    »Mit einem hübschen Schlafanzug«, erinnerte Fintan sie. »Guck mal bei Calvin Klein.
    »Ist so gut wie erledigt.«
    »Und wenn du bei Calvin Klein nichts bekommst, versuch
es
bei Joseph. Es muß was Tragbares sein, ich muß schließlich an meine Karriere denken. Wenn mich einer in diesen schrecklichen Krankenhausdingern sieht, werde ich bestimmt rausgeschmissen.«
    »Wir kümmern uns drum«, versicherte Katherine ihm.
    »Macht es euch auch nichts aus?« Plötzlich war Fintan besorgt. »Kriegt ihr keinen Ärger bei der Arbeit, wenn ihr euch frei nehmt?«
    Sie sahen ihn sprachlos an.
    Katherine brachte ihre Gefühle auf den Punkt. »Scheiß auf die Arbeit«, sagte sie schlicht.
    »Gott«, murmelte Fintan. »Es scheint wirklich ernst zu sein.«
    Tara und Katherine sprachen nicht miteinander, als sie das Haus verließen und zu dem schmutzigen Käfer gingen.
    »Bist du nicht zu blau?« fragte Katherine besorgt, als Tara mit quietschenden Reifen aus der Parklücke fuhr.
    »Ich fahre besser, wenn ich ein bißchen was intus habe«, erklärte Tara.
    »Das stimmt nicht, das denkst du nur.«
    Sie lachten beide, dann verstummten sie.
    »Seltsam, nicht?« sagte Katherine und versuchte, ihre Gefühle zu verstehen. »Daß wir heute darüber lachen können.«
    »Ich weiß.« Tara seufzte. »Wir haben heute abend mehrmals gelacht. Manchmal habe ich mich richtig geschämt, und dann wieder fühlte es sich ganz normal an. Aber als wären wir in zwei verschiedenen Welten gleichzeitig.«
    »Vielleicht stehen wir unter Schock.«
    »Kann sein. Auf jeden Fall ist es ein Schlag in die Magengrube. Wenn Liv jetzt hier wäre, könnte sie uns erklären, was mit uns passiert.«
    »Oh, Gott!« Sie waren entsetzt bei dem Gedanken an Liv.
    »Wer bringt es ihr bei?« hauchte Tara. »Sie wird am Boden zerstört sein. Sie hat Fintan so gern. Kannst du das nicht machen? Du kannst das besser als ich. Weil du nicht so emotional bist.«
    Und obwohl Katherine ganz anderer Meinung war, erwiderte sie: »Ich rufe sie gleich an. Sie ist bestimmt noch auf, die Arme, mit ihren Schlafproblemen.«
    Schweigend fuhren sie weiter.
    »Ich muß immer an diese Sache mit dem Knochenmark denken«, sagte Katherine leise. »Das ist doch Folter! Morgen früh wird es unerträglich. Hauptsächlich für Fintan«, fügte sie schnell hinzu.
    »Ich wünschte, es wäre schon morgen mittag, dann wäre alles vorbei«, sagte Tara.
    »Das stimmt nicht«, entgegnete Katherine. »Dann fängt alles erst an.«
    »Nein.« Tara hielt das Lenkrad umklammert, sie sah hoffnungsvoll aus. »So dürfen wir gar nicht erst denken. Es könnte ja sein, daß alles in Ordnung ist.«
    Katherine dachte einen Augenblick nach. »Vielleicht hast du recht«, gab sie dann zu.
    »Genau!«

32
    A m folgenden Nachmittag flog JaneAnn, in ihrer vollen Größe von ein Meter achtundvierzig, nach London. Sie wurde begleitet von einer Auswahl ihrer großen, schweigenden Söhne.
    Keiner von ihnen war je zuvor geflogen. Ja, sie waren auch nur selten über die Grenzen der Grafschaft Clare hinausgekommen. In ihrer grob geschneiderten, altmodischen »guten« Kleidung

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