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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Wimmern oder ein Klagelaut. Katherine weinte.
    Katherine weinte nie.
    Am Nachmittag übermittelte Sandro eine Bitte von Fintan: Würden Tara und Katherine ihn nach der Arbeit besuchen? »Natürlich«, stammelte Tara. »Ich komme auf der Stelle.«
    »Später ist besser«, beruhigte Sandro sie. »Dann wissen wir mehr.«
    »Du meinst…?« Tara blieben die Worte im Hals stecken. »Es gibt etwas, das wir wissen sollten?«
    »Ja.«
    »Gute oder schlechte Nachrichten?« bohrte sie. »Ach, Tara.« Er seufzte und sagte weiter nichts. »Aber

«, fing sie an.
    »Wir sehen uns später«, unterbrach er sie.
    Obwohl es einen langen Umweg für Tara bedeutete, bestand sie darauf, Katherine von der Arbeit abzuholen, damit sie zusammen bei Fintan in seiner Wohnung in Notting Hill ankommen würden.
    Als Katherine um halb sieben aus ihrem Büro bei Breen Helmsford kam, winkte Tara ihr zu. Dann ließ sie den Arm sinken. Winken war fehl am Platz. Wenigstens heute.
    Katherine kletterte in den schmutzigen kleinen Käfer, setzte sich auf die Unterhose, die zum Wischen der Scheiben diente, und merkte es nicht einmal. Während der Fahrt schwiegen sie. Es war ein kalter Oktoberabend, und in dem Auto funktionierte die Heizung nicht, aber beide schwitzten.
    »Letzte Woche hatte er eine Schwellung am Hals«, sagte Tara leise. Sie schämte sich zutiefst, weil sie ihn damit nicht ernst genommen hatte. »Ich glaube, daß er schon eine Weile Anzeichen hatte. Es tut mir leid, daß es so ein Schock für dich ist.«
    »Wieso ein Schock?« fuhr Katherine sie an.
    »Was meinst du?« fragte Tara erstaunt. »Hattest du etwa eine Ahnung?«
    »Natürlich hatte ich eine Ahnung«, sagte Katherine zornig. »Er hatte oft keinen Appetit, er hat abgenommen und hatte Schmerzen am Hals, Magenschmerzen und verschiedene andere Schmerzen. Und das Gerede von Tollwut und Beriberi und Milzbrand…«
    »Bin ich die einzige, die nichts gemerkt hat?« fragte Tara entsetzt. »Und ihr wußtet es alle?«
    Als sie in die Straße kamen, in der Fintan wohnte, parkte Tara noch hektischer als sonst und sprang aus dem Wagen. Sie wollte ihn so schnell wie möglich sehen.
    »Komm schon«, sagte sie und marschierte zur Tür.
    Aber bevor sie klingelte, schreckte sie zurück. Sie wollte ihn nicht sehen, sie wollte weglaufen.
    »Ach, Tara«, sagte Katherine und nahm Taras Hand in ihre und drückte sie fest. Sie spürten, wie das Blut in ihren Adern pulsierte.
    Wie konnte einer so schnell so viel abnehmen?
    Innerhalb einer Woche war Fintans Gesicht eingefallen. Er sah ganz komisch aus, dachte Katherine, und merkte dann, daß es seine Zähne waren. Sie schienen zu groß für das Gesicht. Wie bei einem alten Mann, dessen Mund zu klein für das Gebiß ist.
    Unterhalb seines Ohrs war eine Schwellung von der Größe eines Hühnereis. Ein Verband klebte darüber, unter dem die Gaze hervorquoll.
    Tara starrte voller Entsetzen darauf. »Du hast gesagt, die Schwellung sei wieder weg.«
    »Das war gelogen«, sagte Fintan mit überraschend unbeschwerter Stimme.
    Sandro schien mißmutig und verstimmt und verbreitete eine niederdrückende Atmosphäre im Zimmer. Aber Fintan schien merkwürdig beschwingt.
    »Setzt euch, setzt euch«, sagte er, und seine Augen funkelten in seinem knochigen Gesicht. »Sandro bringt euch gleich was zu trinken. Ich habe eine schlechte und eine gute Nachricht. Welche wollt ihr zuerst hören?«
    »Die gute Nachricht«, sagte Tara spontan. Die schlechte kannten sie ja ohnehin.
    »Sehr gut. Die gute Nachricht ist«, erklärte Fintan freudig, »daß ich mehrere Tests gemacht habe, und ich habe eindeutig, ohne jeden Zweifel und hundertprozentig kein Aids.«
    Er sagte die Worte in das angespannte Schweigen hinein.
    »Kein Aids?« fragte Tara schließlich. »Kein Aids? Du meinst…?«
    »Ich habe kein Aids.«
    »Und du kriegst es auch nicht?«
    »Ich werde alles tun, um das zu verhindern.«
    »O Gott!« Ein Gefühl der Freude durchströmte Tara.
    »Ich kann es kaum glauben. Ich war überzeugt, daß dein Ende nah ist. Das ist doch phantastisch.« Sie sprang auf und warf Fintan die Arme um den Hals. »Dann stirbst du nicht!«
    »Das war die gute Nachricht.« Katherine klang, als würde sie ersticken. »Was ist die schlechte?«
    Alle Augen waren auf Fintan gerichtet.
    »Die schlechte Nachricht«, sagte er, »ist die, daß ich eine interessante kleine Krankheit habe, die man HodgkinSyndrom nennt.«
    Katherine war kreidebleich.
    »Was um alles in der Welt ist das?« fragte Tara. »Ich

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