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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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sich so begrüßte. Er war sehr nervös. Am Morgen hatte er bei Fintans Bett gewartet, bis Fintan von der Biopsie zurückkam, und als er sich versichert hatte, daß Fintan mit allem versorgt war, hatte er gefragt: »Und wenn sie mich nicht mögen?«
    »Wer?« hatte Fintan durch seine Schmerzen hindurch gesagt.
    »Deine Familie. Wie soll ich mich ihnen gegenüber verhalten?« Sandro legte eine Hand auf Fintans Hüfte – die, an der die Biopsie vorgenommen worden war.
    »Au, au, Himmel Arsch, autsch!« Fintan wand sich. »Kannst du bitte aufpassen! Au, meine Hüfte!«
    »Es tut mir leid,
es
tut mir leid. Verzeih mir, bitte! Bitte verzeih. Soll ich einen Anzug anziehen oder lieber etwas weniger Förmliches?« Vor Fintans müden Augen erschien das Bild von Sandro, der sich ein Jackett überstreifte.
    »Das ist doch egal!« sagte er schwach. »Ich glaube, wir haben wichtigere Sorgen, oder?«
    »Ich poliere nur die Aschenbecher auf der Titanic«, hatte Sandro erwidert.
    Jetzt gelang es Fintan, Sandros Silhouette in dem Nebel auszumachen. »Sandro«, sagte er förmlich, »das ist meine Mammy, JaneAnn, mein Bruder Milo und mein anderer Bruder, Timothy.«
    Sandro hob nervös die Hand und sagte: »Ciao, hallo, sehr angenehm … ehm…«
    »Sandro ist mein…«, bedeutungsvolle Pause, »… Freund.«
    »Sind Sie Fintans Partner?« JaneAnn war sofort im Bilde.
    Sandro war entsetzt. »Wir machen keine Geschäfte«, sagte er steif.
    »Nein, nein, nein«, erklärte Fintan. »Sie meint, bist du mein Geliebter.«
    »Oh! Ach so! Jetzt verstehe ich. Ja, Mrs. O’Grady, ich bin Fintans Partner.«
    »Und wo kommen Sie her?«
    »Aus Italien. Roma…«
    »Aus Rom! Sind Sie dem Papst mal begegnet?«
    »Mammy!« Fintan schwenkte empört den Arm.
    »Aber ich habe ihn tatsächlich gesehen,
il Papa«,
sagte Sandro zu Fintans Überraschung. »Also, es waren noch viele andere Menschen da, aber ich war mit meiner Mutter bei einer Messe auf dem Petersplatz, die der Papst gelesen hat.«
    »Sie sind ein gesegneter Mensch«, sagte JaneAnn ergriffen. »War es schön?«
    »Sehr schön«, bestätigte Sandro und überlegte einen Moment, ob er den purpurfarbenen Talar Seiner Heiligkeit beschreiben sollte, aber dann entschied er sich dagegen. Das Kennenlernen verlief viel besser, als er gedacht hatte, es war klüger, nichts zu riskieren.
    Milo hatte inzwischen den diensthabenden Arzt in seinem Büro aufgesucht. Er sprach so leise, daß Dr. Singh ihn kaum hören konnte.
    »Ich bin Fintans ältester Bruder«, erklärte Milo und hielt den Blick gesenkt. »Ich bin fast wie ein Vater für ihn gewesen, und ich weiß über Aids Bescheid. Bloß weil wir Iren sind und vom Land kommen, heißt das nicht, daß wir nicht Bescheid wissen. Und wir können sehr gut damit umgehen.«
    Dr. Singh hatte viel zu tun. Er war seit zweiunddreißig Stunden im Dienst und zu erschöpft, um viel Geduld zu haben. Als Milo wieder an Fintans Bett kam, war er überzeugt, daß Fintan kein Aids hatte.
    Als gegen halb acht alle aufbrechen wollten, damit Fintan sich ausruhen könnte, hörten sie hastige Schritte auf dem Flur. Es war Liv, die mit fliegenden Haaren, gerötetem Gesicht und sehr blauen Augen herbeieilte. Sie sah aus wie eine stolze Kriegerin.
    »Liv«, rief Fintan erfreut, »komm näher, komm nur! Das ist meine Mammy, das ist mein Bruder Timothy, und das ist Milo, mein anderer Bruder.«
    »Hallo.« Liv klang sehr präzise, sehr schwedisch. »Sehr erfreut.« Sie schüttelte den dreien die Hand, und als die Reihe an Milo kam, starrte sie ihn an.
    »Oh, Entschuldigung«, sagte sie. »Ich bin ganz verblüfft … Sie sehen genau wie Fintan aus.«
    »Himmel, nein, Fintan ist der Gutaussehende.« Milo zuckte die Achseln und lächelte bedächtig. »Ich bin nur eine arme Kopie. Ich bin … wie sagt man … eine Imitation.«
    »Überhaupt nicht«, krächzte Fintan vom Bett. »Du bist mein Vorbild.«
    Es bestand eindeutig eine Familienähnlichkeit: Beide hatten tiefblaue Augen und schwarzes Haar, nur daß das von Milo aussah, als wäre es mit einem Rasenmäher geschnitten worden.
    »Hat es geklappt?« fragte Fintan Liv.
    »Ich habe sie.« Sie reichte Fintan eine Tüte, und er packte zwei wunderschöne Kelchgläser aus, eins limonengrün, das andere türkis.
    »Wozu sind die?« fragte Tara.
    »Als ich vor zwei Stunden bei Fintan war, hat er sich beschwert, daß ihn die Wassergläser hier stören«, erklärte Liv.
    »Und ich hatte diese hier in
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gesehen«, nahm Fintan den Faden

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