Pusteblume
wirkten sie in dem Geglitzer und Getriebe des Flughafens wie von einem anderen Planeten.
Obwohl Tara und Katherine erst um zwölf in ihren Büros erschienen waren, gingen sie um vier wieder, um rechtzeitig zur Ankunft des Flugzeugs aus Shannon am Flughafen zu sein.
»Da sind sie ja.« Tara hatte JaneAnn, Milo und Timothy entdeckt, die, umgeben von ihren Taschen und Koffern, wie ein kleiner Flüchtlingstrupp aussahen.
JaneAnn trug einen uralten schwarzen Mantel mit Persianerkragen. Milo, der älteste Bruder, hatte sich einen braunen Blazer geborgt, den er über blauen Arbeitshosen trug, während Timothy seinen einzigen Anzug anhatte, einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug mit großen Revers und Hosen mit Schlag, in dem er zwanzig Jahre zuvor geheiratet hatte. Der Anzug war so alt, daß er schon beinahe wieder aktuell war. Allerdings war Timothy inzwischen dicker geworden, aber vielleicht lag es auch an dem dicken Pullover, den er darunter trug, daß die Jacke so arg spannte.
Obwohl die O’Gradys mit ihrem bäuerlichen Aussehen kraß von ihrer eleganten Umgebung abstachen, waren sie von dem Gedränge auf dem Flughafen unbeeindruckt. Sie bewegten sich mit derselben Geschwindigkeit wie in Knockavoy auch und reagierten belustigt, als ein junger Geschäftsmann sich ungeduldig an ihnen vorbeidrängte und murmelte: »Diese Leute, also wirklich!«
»Wahrscheinlich geht es um Leben und Tod«, bemerkte JaneAnn trocken.
»O nein«, sagte Milo und lächelte. »So wie der aussah, ist es noch viel wichtiger.«
Sie fuhren sofort zum Krankenhaus. Alle fünf zwängten sich in Taras Käfer, und obwohl Milo und Timothy groß und kräftig waren und JaneAnn ein Fliegengewicht, mußten sich die beiden mit Katherine auf die Rückbank quetschen, denn das Protokoll verlangte es, daß die irische Mamma vorn saß.
Man unterhielt sich. Es gab Neuigkeiten aus Irland zu berichten, und hin und wieder gab es auch Grund zu lachen. Zwischendurch fiel Katherine ein, warum sie wie die Ölsardinen in Taras Käfer saßen, und dann war sie bestürzt, weil jede Fröhlichkeit ganz unpassend war.
Auch Tara verlor den Anlaß des Besuchs aus dem Blick und verhielt sich so, als wären die O’Gradys in London, um Ferien zu machen.
»Das ist Kensington Palace«, sagte sie, als sie durch den Verkehr auf der Kensington High Street krochen.
»Und was passiert da?« fragte Milo höflich.
»Princess Diana hat da gewohnt«, sagte Tara zögernd.
»Himmel, ihre Heizkosten müssen astronomisch gewesen sein«, erwiderte Milo und beugte sich vor, um besser sehen zu können.
Das Krankenhaus sah eher aus wie ein Hotel und weniger wie ein Ort für Kranke und Sterbende, doch die O’Gradys enthielten sich jeglichen Kommentars. Sie verschwendeten auch keine Zeit damit, Süßigkeiten oder Zeitschriften für Fintan zu kaufen. Die leichte Stimmung war verflogen, jetzt hatten sie Angst.
Ihre Anspannung wuchs, als sie im Aufzug nach oben fuhren und über den breiten, mit Linoleum ausgelegten Flur zu dem Zimmer gingen, in dem Fintan mit fünf anderen lag. Vor der Tür hielt JaneAnn Katherine am Ärmel fest. »Wie sieht er aus?«
»Ganz gut«, sagte sie, und ihr Magen krampfte sich zusammen. »Er ist dünner geworden, und am Hals hat er eine Schwellung, aber sonst sieht er aus wie immer.«
Wozu sollte sie erzählen, daß er vor ein paar Stunden, nach der Biopsie, völlig erledigt war. Alle Muskeln in Katherines Beinen wurden starr, als sie an Fintans graues Gesicht dachte, mit den geschlossenen Augen, als er flüsterte: »Die Schmerzen waren widerlich. Ich habe tatsächlich Sterne gesehen.«
Tara und Katherine traten zurück, um den O’Gradys den Vortritt zu lassen, als sie sich dem Vorhang um Fintans weißlackiertes Metallbett näherten. Sandro saß still auf dem Stuhl daneben.
»Gott segne euch alle«, sagte Milo und führte den Clan an.
»Klasse Blazer, Milo«, sagte Fintan schwach. Er lag flach auf dem Rücken und hatte den neuen taubengrauen Pyjama an.
»Sicher, ich bin todschick.« Milo lachte trocken.
»Hallo, Mammy«, begrüßte Fintan JaneAnn.
»Du bist mir vielleicht einer«, schimpfte sie zärtlich, »uns solche Sorgen zu machen!
»Aber um fair zu sein, du hast dir eine gute Zeit ausgesucht«, sagte Timothy.
»Weil du gewartet hast, bis das Heu eingebracht war«, erklärte Milo, »und bevor die Lämmer auf die Welt kommen. Das ist höchst anständig von dir.«
Sandro hielt sich mit übertriebener Zurückhaltung im Hintergrund, während die Familie
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