Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
er und streckte die Hand aus. Eine menschliche Gestalt stand auf dem Platz.
    IIb blickte in die entsprechende Richtung und blinzelte.
    »Der Hohepriester Dios«, erwiderte er. »Ich schätze, er hat irgend etwas vor, aber es ist besser, sich nicht in priesterliche Angelegenheiten einzumischen, würdest du jetzt bitte mitkommen.«
     
    Der krokodilköpfige Gott drehte den Schädel von links nach rechts. Räumliches Sehen gehörte nicht zum Inventar seiner Sinne, und deshalb fiel es ihm schwer, die Entfernung zu Teppic einzuschätzen. Der gewaltige Körper wirkte halb durchsichtig – als habe jemand die Umrisse gezeichnet und darauf verzichtet, Farbe hinzuzufügen. Das Geschöpf trat auf eine kleinere Grabstätte, die sofort zu Staub zerfiel.
    Eine Pranke schwebte über Teppic, und sie sah aus wie ein Kanu-Bündel mit Krallen. Der schwarze Marmor fühlte sich warm an, und die Pyramide erbebte. Aber sie schien nicht gewillt zu sein, sich zu entladen.
    Die Pranke kam herab. Teppic sank auf ein Knie, umfaßte seine Waffe mit beiden Händen und hielt das Messer aus reiner Verzweiflung hoch über den Kopf.
    Irgend etwas glitzerte über die Spitze der Klinge, und dann entlud sich die Große Pyramide.
    Zuerst geschah alles in absoluter Stille. Eine blendend helle Flamme leckte gen Himmel, verwandelte das ganze Königreich in ein wirres Muster aus schwarzen Schatten und weißem Glanz – eine Flamme, die ihre Beobachter nicht nur in Salzsäulen verwandeln konnte, sondern in jedes Gewürz ihrer Wahl. Sie platzte wie eine Pusteblume auseinander, so lautlos wie das Schimmern der Sterne, so grell wie eine Supernova.
    Einige Sekunden lang tauchte sie die Nekropolis in unglaublich helles Licht, und dann erklang das Geräusch. Es war ein Geräusch, das sich durch die Knochen bohrte, in jede einzelne Körperzelle kroch und mit nicht unbeträchtlichem Erfolg versuchte, die Eingeweide zu zerreißen. Es gibt Geräusche, die so laut sind, daß man sie gar nicht hört. Um ein solches Geräusch handelte es sich.
    Schließlich beschloß es, auf der kosmischen Tonleiter nach unten zu klettern. Es verwandelte sich schlicht und einfach in das lauteste Geräusch, das man sich nur vorstellen konnte.
    Und dann verklang es, hinterließ den dunklen metallenen Nachhall jäher Stille. Das Licht verblaßte, wurde zu einem blauen und purpurnen Glimmen, das über den Himmel tanzte und verschwand. Stille und Dunkelheit folgten. Vielleicht die Stille und Dunkelheit nach dem letzten Ereignis-Kapitel? Nein, keineswegs. Es schloß sich ein Augenblick des Gleichgewichts an. Man denke in diesem Zusammenhang an einen geworfenen Ball, der keine Beschleunigung mehr erfährt und glaubt, das Schlimmste überstanden zu haben: Er irrt sich natürlich, denn wir alle wissen, daß ihn noch die Aufmerksamkeit der Gravitation erwartet.
    Diesmal kündigte sie sich mit einem schrillen Pfeifen weit oben und einem Brodeln in der Luft an. Das Brodeln metamorphierte zu einem Glühen, das Glühen zu einer anderen Flamme, zu einem Lodern, das nach unten raste, in die Große Pyramide, in eine gewaltige Masse aus schwarzem Marmor. Kleinere Blitze knisterten zu den übrigen Grabstätten. Schlangen aus weißem Feuer krochen von Pyramide zu Pyramide, durch die ganze Nekropolis. Teppic nahm den Gestank von verbranntem Stein wahr.
    Während dies alles geschah, während sich temporale Energien austobten, schien die Große Pyramide einige Zentimeter anzusteigen. Sie ruhte auf einem Kissen aus purer Kraft und drehte sich um neunzig Grad. Wie es aussah? Stellen Sie sich eine optische Täuschung vor, die stattfinden kann, obwohl überhaupt niemand hinsieht.
    Und dann, trügerisch gemächlich und würdevoll, explodierte das riesige Bauwerk.
    Nun, die Bezeichnung ›Explosion‹ ist ein wenig zu kraß: Folgendes geschah: Die Große Pyramide zerlegte sich selbst in Einzelteile, jeweils so groß wie ein Einfamilienhaus. Die Blöcke schwebten träge voneinander fort und segelten über die Nekropolis. Einige von ihnen trafen andere Pyramiden, zertrümmerten sie in einer unbekümmerten, geistesabwesenden Art, setzten den Flug gelassen fort, erreichten den Boden, pflügten tiefe Furchen und hielten unter großen Geröllhalden inne. Kurz darauf donnerte es. Ziemlich laut. Und ziemlich lange.
     
    Graue Staubwolken wallten über das Königreich.
    Ptaclusp stemmte sich in die Höhe, taumelte mit ausgestreckten Armen umher – und stieß gegen jemanden. Er schauderte unwillkürlich, als er daran dachte,

Weitere Kostenlose Bücher