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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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die Aktivitäten der einzelnen Konsortien immer wieder zu bedauerlichen Kontroversen, die man mit einem eklatanten Mangel an Objektivität aus der Welt zu schaffen versuchte. So etwas ließ sich in keiner Weise mit den Interessen der Allgemeinheit vereinbaren. Um es anders auszudrücken: Damals herrschten Disharmonie und permanente Ungewißheit.
    Und doch. Und doch.« T’malia preßte die Hände an die Brust. Irgend etwas knirschte, und es klang so, als ächzten die Decksplanken einer Galeone im Sturm.
    »Die historischen Gegebenheiten verlangten ebenso wirkungsvolle wie verantwortungsbewußte Maßnahmen, um das Unschlichtbare zu schlichten«, fuhr die Lehrerin fort. »Dadurch entstanden die Grundlagen der Gilde. Unsere Ahnen hatten wirklich Glück«,– der plötzlich schrille Klang ihrer Stimme weckte einige Schüler aus sehr privaten Überlegungen –, »in einer solchen Epoche zu leben. Damals hoben beherzte, unerschrockene Männer das Banner einer festen, prinzipienreichen Moral und schmiedeten das ultimate politische Schwert, das nicht für den Krieg bestimmt war. Welches Glück ist es für euch, in einer Gilde zur Schule zu gehen, die so hohe Ansprüche an Benehmen, Umgangsformen und esoterisches Geschick stellt, die euch eine Macht gibt, wie sie einst nur den Göttern zustand. O ja, die Welt ist das Opfer eurer Wahl …«
    Während der Mittagspause begaben sich einige Jungen zu den Ställen, und Schelter übersetzte die kompliziertesten Ausführungen Ihrer Ladyschaft.
    »Ich weiß, was ›mit einem eklatanten Mangel an Objektivität aus der Welt schaffen‹ bedeutet«, sagte Käseweiß stolz. »Es bedeutet, daß man die Leute mit einer Axt inhumierte.«
    »Unsinn«, widersprach Schelter.
    »Du hast die Weisheit mit Löffeln gefressen, was?«
    »Mit Messer und Gabel«, erklärte Schelter und fügte würdevoll hinzu: »Meine Familie ist schon seit vielen Jahren im Geschäft.«
    Käseweiß schnaufte abfällig. »Im Geschäft. Pah!«
    Schelter ließ sich nie darüber aus, um welches Geschäft es sich handelte. Offenbar ging es darum, gewisse Dinge zu bewegen und Bedürfnisse zu befriedigen. Aber es blieb ein Geheimnis, welche Dinge und Bedürfnisse auf Bewegung und Befriedigung warteten.
    Schelter versetzte Käseweiß eine kameradschaftliche Ohrfeige und erläuterte, daß ›mit einem eklatanten Mangel an Objektivität aus der Welt schaffen‹ nicht nur eine besonders gründliche Inhumierung bedeutete. Seiner Ansicht nach war damit gemeint, auch die Kollegen, Partner und Angestellten der betreffenden Person an den ›wirkungsvollen sowie verantwortungsbewußten Maßnahmen‹ teilhaben zu lassen. Vermutlich durften nicht einmal die entsprechenden Geschäftsräume, das Gebäude und ein großer Teil der unmittelbaren Nachbarschaft verschont bleiben – um zu zeigen, daß sich das Opfer den Zorn von Leuten zugezogen hatte, in deren Vokabular das Wort ›Erbarmen‹ fehlte.
    »Donnerwetter!« entfuhr es Arthur.
    »Oh, das ist noch gar nichts«, sagte Schelter. »Ich erinnere mich da an einen Silvesterabend … Mein Großvater und seine Buchhalter besuchten eine außerordentlich wichtige Geschäftskonferenz, an der auch die Repräsentanten eines mittwärtigen Unternehmens teilnahmen. Fünfzehn Personen verschwanden einfach. Ihre Leichen wurden nie gefunden. Tja, eine unangenehme Sache. Bringt Unruhe in die Geschäftswelt.«
    »In die ganze Geschäftswelt oder nur in den Teil, der mit dem Gesicht nach unten im Fluß schwimmt?« fragte Teppic.
    »Genau darum geht’s. Die Gilde ist wirklich besser.« Schelter dachte kurz nach. »Ich meine, sie löst Probleme auf eine saubere Art und Weise. Deshalb gab mir mein Vater den Rat, die Gildenschule zu besuchen. Weißt du, heutzutage muß man sich ums Geschäft kümmern. Man kann nicht die ganze Zeit mit Public Relations verplempern.«
     
    Das Ende der Armbrust zitterte.
    Alles andere an der Schule gefiel Teppic recht gut: das Klettern, der Musikunterricht, die allgemeine Bildung. Es belastete ihn nur, daß man irgendwann jemanden umbringen mußte. Er hatte noch nie einen lebenden Menschen getötet.
    Jetzt ist es soweit, dachte er bestürzt. Hier und jetzt stellt sich heraus, ob ich in der Lage bin, jemanden zu inhumieren. Oh, warum kann man kein Assassine sein, ohne seine Mitmenschen ins Jenseits zu schicken?
    Und: Wenn du versagst, Teppic, bist du erledigt. Dann ein beruhigender Gedanke: Wenigstens endest du nicht in einer Pyramide.
    Mericet stand nach wie vor in der Ecke

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