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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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sogenannte Pfaffen. Unter normalen Umständen stellten sie nur eine Behinderung dar, und außerdem war es mit ihnen kaum möglich, sich lautlos in einem Zimmer zu bewegen. Aber Teppic zog sie trotzdem an. (Pfaffen sind mit Metall verstärkte Überschuhe. Sie schützen die Sohlen. Das ist ein Assassinen-Witz.) Mericet liebte es, Gift zu verwenden. Bläher! Wenn er die Fußangeln damit behandelt hatte, und wenn Teppic dumm genug gewesen wäre, mit einem normalen Stiefel auf solche Stacheln zu treten … In dem Fall konnte man auf eine Beerdigung verzichten; es genügte, die Wände zu streichen. 6
    Die Regeln. Mericet mußte sich an die Regeln halten. Er konnte nicht einfach töten, ohne jede Vorwarnung. Er durfte den Schüler nur dazu verleiten, sich selbst umzubringen, mit Sorglosigkeit und übermäßigem Selbstvertrauen.
    Teppic kletterte durchs Fenster, sank zu Boden und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Mehrmals bewegte er den Stab hin und her, doch offenbar gab es keine weiteren Drähte. Es knirschte leise, als der rechte Pfaffe eine Fußangel zermalmte.
    »Laß dir ruhig Zeit!«
    Mericet stand in einer Ecke, und Teppic hörte das leise Kratzen eines Schreibstifts auf Papier, als der Prüfer etwas notierte. Er versuchte, alle Gedanken an den alten Assassinen aus seinem bewußten Ich zu verdrängen. Konzentration war gefragt.
    Jemand lag auf dem Bett, vollkommen zugedeckt.
    Die letzte Prüfung. In diesem Zimmer entschied sich alles. Wer bestanden hatte, schwieg sich darüber aus. Und wer versagte, bekam keine Gelegenheit, irgendwelche Fragen zu beantworten.
    Teppic erstellte eine mentale Optionsliste. Bei solchen Gelegenheiten ist göttlicher Rat willkommen. Hörst du mich, Vater?
    Er beneidete seine Mitschüler, die an immaterielle Götter glaubten, an heilige Entitäten, deren Domizil sich auf hohen Bergen oder so befand. Es fiel nicht weiter schwer, an solche Götter zu glauben. Aber wenn man einen Gott jeden Morgen beim Frühstück sah, stellte sich ein gewisser Gewöhnungseffekt ein.
    Teppic holte einige Objekte hervor und schraubte die geschmierten Einzelteile einer Armbrust zusammen. Diese Waffe verwendete er nicht gern, aber er hatte keine Messer mehr, und seine Lippen waren zu trocken, um das Blasrohr zu benutzen.
    In der Ecke klickte etwas. Mericet klopfte mit seinem Schreibstift an die Zähne.
    Vielleicht lag eine Puppe unter der Decke. Durchaus möglich. In Gedanken schüttelte Teppic den Kopf. Nein, es mußte ein Mensch sein. Ein lebender Mensch. Die Gerüchte in der Schule … Der Junge überlegte, ob er noch einmal den Stab benutzten sollte. Ein kleiner Stoß genügte sicher, um Aufschluß zu gewinnen.
    Langsam hob er die Armbrust und zielte.
    »Wenn du soweit bist …«, sagte Mericet.
    Die letzte und wichtigste aller Prüfungen.
    Sie sollte zeigen, ob der Schüler in der Lage war, jemanden zu töten.
    Teppic hatte die ganze Zeit über versucht, eine wichtige Erkenntnis aus sich zu verdrängen.
    Er konnte niemanden umbringen.
     
    Am Oktatag stand Politische Zweckdienlichkeit auf dem Stundenplan. Der Lehrer hieß Lady T’malia und war eine Lehrer in – eine der wenigen Frauen, die in der Gilde einen hohen Rang bekleideten. In den Ländern am Runden Meer vertrat man gemeinhin die Ansicht, daß man seine Lebenserwartung erhöhte, wenn man darauf verzichtete, Ihrer Ladyschaft beim Essen Gesellschaft zu leisten. Die Ringe der linken Hand enthielten genug Gift, um alle Einwohner einer kleinen Stadt zu inhumieren. T’malia zeichnete sich durch jene Art von kalkulierter Schönheit aus, die jeden Morgen nach dem Aufstehen drei Stunden harte Arbeit und die kompetente Hilfe von begabten Künstlern, Handpflegern, Stukkateuren, Mieder-Designern und diversen Make-up-Spezialisten erfordert. Wahrscheinlich mußte ab und zu auch ein Architekt eingreifen. Das Korsett soll hier nicht unerwähnt bleiben: Wenn sich die Unterweiserin bewegte, hörte man das leise Knacken von Fischbeinstäben, die großem Druck standhalten mußten.
    Die Jungen lernten. Wenn T’malia sprach, beobachteten die Schüler nicht etwa ihre Figur. Nein, sie behielten ihre Finger im Auge.
    »Beschäftigen wir uns einmal mit der Situation vor der Gründung unserer Gilde«, schlug Ihre Ladyschaft vor. »Sowohl in dieser Stadt als auch an vielen anderen Orten wird der Fortschritt von den dynamischen Interaktionen zwischen großen und sehr mächtigen Kartellen bestimmt.
    Bevor die Gilde der Assassinen existierte, führten

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