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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Todesröcheln gehört hat. Er richtete seinen Kreidestift auf Käseweiß, der erschrocken schluckte.
    »Diebe, Herr?« brachte er hervor.
    »Komm her, Junge!«
    In den Schlafsälen kursierten Gerüchte darüber, was Mericet in den vergangenen Jahrzehnten mit unaufmerksamen Schülern angestellt hatte. Die hinter vorgehaltener Hand erzählten Geschichten nannten keine Einzelheiten, aber es gelang ihnen problemlos, Entsetzen zu vermitteln. Die Klasse entspannte sich. Für gewöhnlich konzentrierte sich Mericet immer nur auf ein Opfer, und deshalb gab es für die anderen kaum etwas zu befürchten. Sie versuchten, möglichst intelligent und interessiert zu wirken, um nicht den Zorn des Lehrers auf sich zu lenken. Und gleichzeitig genossen sie die Vorstellung. Käseweiß errötete bis zu den Ohrenspitzen, stand auf und stapfte mit zitternden Knien durch den Mittelgang.
    Der Meister musterte ihn nachdenklich.
    »Nun gut«, sagte er. »Stellen wir uns vor, wie unser lieber Käseweiß über hohe, steile Dächer schleicht. Man beachte seine angestrengt lauschenden Ohren, die festen Knie.«
    Die Klasse kicherte gehorsam. Käseweiß richtete einen kurzen Blick auf seine Kameraden, grinste dumm und rollte mit den Augen.
    »Aber wer sind die düsteren Gestalten, die ihm auf Schritt und Tritt folgen, hm? Da du das so lustig findest, Teppic … Vielleicht hast du die Güte, Käseweiß aufzuklären.«
    Teppic wurde schlagartig ernst.
    Mericets Blick bohrte sich in ihn hinein. Er ist wie der Hohepriester Dios, dachte er. Selbst Vater fürchtet sich vor ihm.
    Teppic wußte, wie er reagieren sollte, aber der Trotz errang einen weiteren Sieg über das Pflichtbewußtsein. Er lehnte es ab, sich einschüchtern zu lassen.
    »Schlechte Vorbereitung«, sagte er. »Sorglosigkeit. Konzentrationsmangel. Nachlässige Pflege der Werkzeuge. Und natürlich übermäßiges Selbstvertrauen.«
    Mericet hielt weiterhin einen stechenden Blick auf ihn gerichtet, aber damit konnte er Teppic nicht beeindrucken. Der Sohn des Pharao hatte mit den Palastkatzen geübt.
    Schließlich deuteten die Lippen des Lehrers ein Lächeln an, in dem jeder Humor fehlte. Er warf die Kreide hoch, fing sie wieder auf und sagte: »Teppic hat vollkommen recht. Insbesondere in Hinsicht auf das übermäßige Selbstvertrauen.«
     
    Ein Sims führte zu einem einladenden weit geöffneten Fenster. Öl glänzte darauf, und Teppic nahm sich mehrere Minuten Zeit, um kleine Steigeisen in Mauerrisse zu schrauben, bevor er den Weg fortsetzte.
    Direkt neben dem Fenster verharrte er und zog mehrere Metallstäbe hinter dem Gürtel hervor. Sie waren mit Gewinden versehen, und innerhalb weniger Sekunden entstand ein fast hundert Zentimeter langer Stab, an dem der Schüler einen Spiegel befestigte.
    In dem dunklen Zimmer rührte sich nichts. Nach einer Weile zog Teppic den Stab zurück, verstaute den Spiegel wieder und ersetzte ihn mit seiner von Handschuhen beschwerten Kapuze. Als er den Stab noch einmal hob, mußte der Eindruck entstehen, als komme ein Kopf zum Vorschein. Der Junge rechnete damit, das leise Zischen eines heranrasenden Pfeils oder Armbrustbolzens zu hören, aber nichts dergleichen geschah.
    Trotz der warmen Nacht fröstelte er. Schwarzer Samt sah recht gut aus, aber damit erschöpften sich seine Vorteile auch schon. Aufregung und Anstrengung führten dazu, daß Teppic mehrere Liter Schweiß mit sich trug.
    Er kroch noch etwas näher heran.
    Ein dünner schwarzer Draht spannte sich auf dem kleinen Vorsprung, und an dem Schiebefenster darüber hatte jemand ein Sägemesser befestigt. Teppic atmete erleichtert auf. Er verwendete einige Blockierkeile, schnitt dann den Draht durch. Die obere Fensterhälfte kam einen Zoll weit herab, knirschte und verharrte. Der Schüler lächelte zufrieden.
    Er verlängerte den Stab, hielt ihn ins Zimmer und strich über den Boden. Nirgends ein Hindernis. Als er einen zweiten Draht in Brusthöhe entdeckte, zog er den Stab zurück, befestigte einen Haken an der Spitze, streckte ihn noch einmal durchs Fenster und zog.
    Eine Armbrust entlud sich, und der stählerne Bolzen schlug alten Mörtel von der Wand.
    Der Haken am Ende des Stabes wich einem Lehmklumpen, und damit fand Teppic mehrere Fußangeln auf dem Boden. Er betrachtete sie voller Interesse und stellte fest, daß sie aus Kupfer bestanden. Wenn er den üblichen Magneten benutzt hätte, wäre er nicht darauf aufmerksam geworden.
    Er überlegte eine Zeitlang. Seine Gürteltasche beinhaltete auch

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