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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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Spätnachmittag eintreffen.«
    »Sie glauben nicht, daß sie aus einem der umliegenden Dörfer stammte?«
    »Nein. Ich habe das Landkreiskomitee angerufen. Dort wird niemand vermißt.«
    »Und der Mörder?«
    »Nein, der kommt wahrscheinlich auch nicht aus der Gegend. Wie es in einem alten Sprichwort heißt: Das Kaninchen sucht nicht in der Nähe seines Baus nach Nahrung. Aber vielleicht hat er den Kanal gekannt.«
    »Dann gibt es also zwei Möglichkeiten«, setzte Chen an.
    Yu lauschte Chens Ausführungen, ohne ihn zu unterbrechen. »Das erste Szenario halte ich für wenig wahrscheinlich«, meinte er schließlich.
    »Aber der Mörder brauchte eine Transportmöglichkeit, um die Leiche zu dem Kanal zu schaffen«, sagte Chen.
    »Vielleicht war es ein Taxifahrer. Wir hatten schon ähnliche Fälle. Erinnern Sie sich an Pan Warnen? Vergewaltigt und ermordet. Eine Menge Ähnlichkeiten, nur daß die Leiche in ein Reisfeld geworfen wurde. Der Mörder gestand, daß er nicht vorgehabt hatte, sie zu töten, doch bei dem Gedanken, daß das Opfer vielleicht seinen Wagen identifizieren könnte, drehte er durch.«
    »Ja, ich erinnere mich daran. Doch wenn der Mörder sein Opfer in einem Auto vergewaltigt hat, warum hat er sich dann die Mühe gemacht, die Leiche in einen Plastiksack zu stecken.’’«
    »Er mußte ja den weiten Weg bis zum Kanal fahren.«
    »Der Kofferraum hätte doch völlig ausgereicht.«
    »Vielleicht hatte er den Plastiksack zufällig im Auto.«
    »Da könnten Sie recht haben.«
    »Nun, wenn einem Mord eine Vergewaltigung vorausgeht«, sagte Yu und schlug die Beine übereinander, »dann haben wir auch ein einleuchtendes Motiv: Durch den Mord bleibt der Vergewaltiger anonym. Sie hätte ihn oder das Auto identifizieren können. Das paßt alles zu der Taxi-Hypothese.«
    »Aber der Mörder könnte auch ein Bekannter des Opfers sein«, sagte Chen und betrachtete abermals das Foto, das er noch immer in der Hand hielt. »Ihr Verschwinden könnte nicht so leicht auf ihn zurückgeführt werden, wenn er sich der Leiche im Kanal entledigte. Vielleicht läßt sich damit auch der Plastiksack erklären. Damit konnte er die Leiche relativ unbemerkt in sein Auto schaffen.«
    »Na ja, aber wer hat schon ein eigenes Auto? Nur die hohen Kader, und so einer würde sich bei einer solchen Angelegenheit wohl kaum von seinem Chauffeur herumkutschieren lassen.«
    »Das stimmt. Es gibt in Shanghai nicht sehr viele Privatautos, aber doch zunehmend mehr. Wir können diese Möglichkeit nicht ausschließen.«
    »Wenn der Mörder das Opfer gekannt hat, müssen wir uns zuallererst die Frage nach dem Motiv stellen. Ging es um eine Affäre mit einem verheirateten Mann? Solche Fälle hatten wir auch schon, aber die Opfer waren fast ausnahmslos schwanger. Heute morgen habe ich Dr. Xia angerufen, er hat eine Schwangerschaft ausgeschlossen«, sagte Yu und zündete sich eine Zigarette an. »Natürlich kann Ihre Theorie trotzdem zutreffen. Doch wenn dies so ist, können wir nichts tun, bis wir die Identität des Opfers kennen.«
    »Sie glauben also, wir sollten erst einmal Ihrer Theorie nachgehen und bei der Taxizentrale anfangen?«
    »Das könnten wir natürlich, auch wenn es nicht einfach sein wird. Vor zehn Jahren gab es in Shanghai kaum Taxis; man hätte stundenlang am Straßenrand stehen können, ohne eins zu erwischen. Heute weiß keiner, wie viele Taxis es wirklich gibt, sie sind so zahlreich wie die Heuschrecken. Ich wette, es sind schon über zehntausend, die privaten Taxifahrer nicht mitgerechnet; mit denen sind es sicher noch einmal dreitausend mehr.«
    »Ja, es gibt wirklich eine ganze Menge.«
    »Und außerdem sind wir uns jagar nicht sicher, daß sie aus Shanghai stammt. Was ist, wenn sie aus einer anderen Provinz kam? In diesem Fall wird es recht lange dauern, ihre Identität herauszufinden.«
    Die Luft in dem winzigen Raum wurde von all dem Zigarettenqualm immer stickiger.
    »Was sollen wir also Ihrer Meinung nach tun?« fragte Chen und öffnete ein kleines Fenster.
    Hauptwachtmeister Yu ließ ein paar Sekunden verstreichen, dann stellte er eine Gegenfrage. »Müssen wir den Fall denn übernehmen?«
    »Na ja, das ist eine gute Frage.«
    »Ich habe den Anruf entgegengenommen, weil sonst niemand im Büro war und Sie nicht zu finden waren. Aber wir sind eine Spezialabteilung.«
    Das stimmte. Ihre Abteilung mußte einen Fall nicht übernehmen, solange er nicht offiziell zu einem »Spezialfall« erklärt worden war. Manchmal geschah dies

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