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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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auf Veranlassung einer anderen Provinz oder auch einer anderen Abteilung innerhalb des Präsidiums, doch meist spielte die Politik eine wenn auch unterschwellige Rolle. So war es zum Beispiel für einen Polizisten weder besonders schwierig noch etwas Spezielles, eine private Buchhandlung zu durchsuchen, die Raubkopien von CDs verkaufte. Aber so etwas konnte viel Aufmerksamkeit erregen und der Presse Material für eine Schlagzeile liefern. Mit anderen Worten: Ein Fall wurde dann für »speziell« erklärt, wenn das Polizeipräsidium den Gang seiner Ermittlungen politischen Bedürfnissen anpassen mußte. Der Fall einer unbekannten weiblichen Leiche, die in einem abgelegenen Kanal gefunden worden war, würde normalerweise an die Mordkommission weitergereicht werden, in deren Zuständigkeitsbereich er ja offensichtlich fiel.
    Dies erklärte den Mangel an Interesse, den Hauptwachtmeister Yu an den Tag legte, obwohl er das Telefonat entgegengenommen und den Fundort der Leiche untersucht hatte. Chen sah sich noch einmal die Fotos an und nahm dann eines heraus. »Dieses Foto lassen wir vergrößern und vervielfältigen. Vielleicht finden wir damit ihre Identität heraus.«
    »Und was passiert, wenn uns das nicht gelingt?«
    »Nun, dann müssen wir uns eingehender mit dem Fall beschäftigen – falls wir ihn übernehmen.«
    »Eingehender beschäftigen …« Yu klaubte sich ein winziges Teeblatt von den Zähnen. Den meisten Kriminalbeamten mißfiel diese mühselige Tätigkeit.
    »Wie viele Leute stehen uns für diesen Auftrag zur Verfügung?«
    »Nicht sehr viele, Genosse Oberinspektor«, sagte Yu. »Wir sind knapp besetzt. Qing Xiaotong ist in den Flitterwochen, Li Dong hat vor kurzem gekündigt, um einen Obstladen aufzumachen, und Liu Longxiang liegt mit einem gebrochenen Arm im Krankenhaus. Sie und ich sind momentan die einzigen in der sogenannten Spezialabteilung.«
    Chen bemerkte die Bitterkeit in Yus Stimme. Seine rasche Beförderung, ganz zu schweigen von seiner neuen Wohnung, hatte zur Folge, daß an anderen Ecken gekürzt wurde. Eine gewisse Feindseligkeit war da kaum verwunderlich, vor allem nicht seitens des Hauptwachtmeisters Yu, der vor ihm zur Polizei gekommen war, eine Polizeiausbildung und obendrein einen Vater hatte, der ebenfalls Polizist gewesen war. Doch Oberinspektor Chen wollte unbedingt einmal nach seinen Leistungen beurteilt werden und nicht nach der Art und Weise, wie er zu seinem Posten gekommen war. Deshalb neigte er dazu, den Fall zu übernehmen – einen richtigen Mordfall, den er von Anfang an bearbeiten konnte. Dennoch hatte Hauptwachtmeister Yu recht: Sie hatten wenig Leute, sie hatten genügend »Spezialfälle« zu bearbeiten, und sie konnten es sich eigentlich nicht leisten, sich einen Fall aufzuhalsen, über den sie eher zufällig gestolpert waren, einen Mord mit sexuellem Hintergrund, ohne Motiv oder Zeugen, ohne eine heiße Spur.
    »Ich werde mit Parteisekretär Li darüber reden, doch in der Zwischenzeit lassen wir das Foto vervielfältigen und verteilen die Abzüge an die Dienststellen. Das ist notwendige Routine – unabhängig davon, wer nun den Fall übernimmt.« Dann ergänzte Chen: »Wenn ich heute nachmittag die Zeit dazu finde, sehe ich mir den Kanal mal an. Als Sie dort waren, war es ja schon dunkel.«
    »Na ja, recht poetisch, die Landschaft dort«, meinte Yu, stand auf, drückte seine Zigarette aus und bemühte sich in keiner Weise, den Sarkasmus in seiner Stimme zu unterdrücken. »Vielleicht fallen Ihnen ja ein paar hübsche Zeilen ein.«
    »Das kann man nie wissen.«
    Nachdem Yu den Raum verlassen hatte, saß Chen eine Weile nachdenklich an seinem Schreibtisch. Er war ziemlich ungehalten über die Feindseligkeit seines Assistenten, dessen Bemerkung über Chens poetische Leidenschaft ein weiterer Seitenhieb gewesen war. Allerdings traf Yus Kritik bis zu einem gewissen Grad zu.
    Chen hatte nie, zumindest nicht als Student, vorgehabt, Polizist zu werden. Er hatte Gedichte veröffentlicht und sich im Pekinger Fremdspracheninstitut als einer der besten Studenten hervorgetan. Eigentlich hatte er damals an eine literarische Karriere gedacht. Einen Monat vor seinen Abschlußprüfungen hatte er sich um einen Studienplatz an der Fakultät für Englische und Amerikanische Literatur beworben. Auch seine Mutter hatte ihn darin unterstützt, denn Chens Vater war ein bekannter Professor der Neokonfuzianischen Schule gewesen. Doch dann teilte man Chen mit, daß ihn eine vielversprechende

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