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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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neues Lied erklang, versuchte er, die Führung zu übernehmen. Er wollte, daß sie sich drehte, doch leider war der Wechsel etwas zu plötzlich für sie. Sie fiel gegen ihn. Er spürte ihren Körper, weich und nachgiebig, in seiner ganzen Länge an dem seinen.
    »Wir müssen jetzt los«, erklärte Lu nach diesem Lied.
    »Unsere Tochter macht sich gewiß schon Sorgen«, fügte Ruru hinzu und nahm den von ihr mitgebrachten Keramiktopf’.
    »Ich gehe wohl besser auch«, sagte Wang und löste sich aus seinen Armen.
    »Nein, Sie müssen noch bleiben«, sagte Lu und schüttelte heftig den Kopf. »Bei einer Einweihungsfeier dürfen nicht alle Gäste gleichzeitig aufbrechen.«
    Chen begriff, warum die Lus gehen wollten. Lu intrigierte gern, das gab er offen zu. Es bereitete ihm ein Riesenvergnügen, hin und wieder gutgemeinte Ränke einzufädeln.
    Es überraschte Chen angenehm, daß Wang nicht darauf beharrte, gemeinsam mit den anderen beiden aufzubrechen. Sie legte eine neue Kassette ein, und es erklang ein Stück, das er nicht kannte. Ihre Körper schmiegten sich eng aneinander. Durch ihr T-Shirt spürte er die Weichheit ihres Körpers, seine Wange streifte ihr Haar. Ihr Parfüm duftete nach Gardenien.
    »Sie riechen herrlich!«
    »Ach, dieses Parfüm hat mir Yang aus Japan geschickt.«
    Die Erwähnung ihres Mannes in Japan und das Bewußtsein, allein mit ihr in seiner Wohnung zu tanzen, steigerten seine Anspannung. Er kam aus dem Takt und trat ihr auf die nackten Zehen.
    »Oh, entschuldigen Sie bitte, habe ich Ihnen weh getan?«
    »Nein«, sagte sie. »Eigentlich freut es mich sogar, daß Sie so unerfahren sind.«
    »Ich werde versuchen, das nächste Mal ein besserer Partner zu sein.«
    »Seien Sie doch einfach Sie selbst«, sagte sie.
    Der Wind legte sich. Der Blumenvorhang hing plötzlich ganz still. Das Mondlicht strömte ins Zimmer und fiel auf ihr Gesicht. Es war jung und sehr lebendig. In diesem Augenblick rührte es an etwas tief in seinem Innern.
    »Sollen wir noch mal von vorn anfangen?« fragte er.
    Da klingelte das Telefon. Überrascht blickte er auf die Wanduhr. Er zögerte kurz, bevor er ihre Hand losließ und nach dem Telefon griff.
    »Oberinspektor Chen?«
    Die Stimme kam ihm bekannt vor, klang allerdings in diesem Moment, als käme sie aus einer anderen Welt. Resigniert zuckte er die Schultern. »Ja, Chen am Apparat.«
    »Hier spricht Hauptwachtmeister Yu Guangming. Es geht um einen Mord.«
    »Was ist passiert.’’«
    »In einem Kanal westlich des Kreises Qingpu ist die nackte Leiche einer jungen Frau gefunden worden.«
    »Ich – ich mache mich gleich auf den Weg«, sagte er, während Wang die Musik ausstellte.
    »Das ist wahrscheinlich nicht nötig. Ich habe den Ort bereits überprüft. Die Leiche wird demnächst in die Gerichtsmedizin überführt. Ich wollte nur Bescheid sagen, daß ich mich darum gekümmert habe, weil sonst niemand im Büro war. Und Sie konnte ich nicht erreichen.«
    »Gut so. Wir sind zwar eine Spezialabteilung, aber natürlich sollten wir in Aktion treten, wenn sonst niemand verfügbar ist.«
    »Morgen früh werde ich ausführlich darüber berichten«, meinte Hauptwachtmeister Yu. »Bitte verzeihen Sie mir, falls ich Sie und Ihre Gäste gestört habe.«
    Yu hatte wohl die Musik im Hintergrund gehört. Chen glaubte, in der Stimme seines Assistenten einen Anflug von Sarkasmus entdeckt zu haben.
    »Jaja, schon gut«, sagte er. »Da Sie den Fundort der Leiche bereits überprüft haben, können wir uns morgen darüber unterhalten.«
    »Gut, also dann bis morgen. Und viel Spaß noch bei Ihrem Fest in Ihrer neuen Wohnung.«
    Der Sarkasmus in Yus Stimme war nicht zu überhören, aber er war verständlich, dachte Chen. Schließlich war sein Kollege um einiges älter als er und hatte bislang kein Glück bei der Wohnungszuweisung gehabt.
    »Vielen Dank.«
    Er legte den Hörer auf und wandte sich wieder Wang zu. Die stand an der Tür und hatte ihre Schuhe angezogen.
    »Sie müssen sich mit wichtigeren Dingen befassen, Genosse Oberinspektor.«
    »Nur ein neuer Fall, aber alles Nötige ist bereits getan worden«, sagte er. »Sie können ruhig noch bleiben.«
    »Lieber nicht«, sagte sie. »Es ist schon spät.«
    Die Tür stand offen.
    Sie blickten sich an.
    Hinter ihr sah man durch das Gangfenster auf die dunkle Straße, hinter ihm lag seine neue, hellerleuchtete Wohnung.
    Sie umarmten sich zum Abschied.
    Er trat auf den Balkon, doch ihre schlanke Gestalt war schon in der Nacht verschwunden.

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