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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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geklopft, dann noch einige Male, mit Nachdruck. »Zaubervorführung. Erstklassige Darbietung!« Ein Steward wedelte mit einigen Eintrittskarten: »Auf Deck Nr. 1.«
    Wie der Kung-Fu-Film war auch die Zauberschau nur eine störende Unterbrechung. Aber natürlich gutgemeint. Es wäre unhöflich gewesen, in der Kabine zu bleiben.
    Als die Zaubervorstellung beendet war, konnte Chen die Rosenthals in der zum Ausgang drängenden Menge nicht entdecken. Er ging nach oben und sah sie an der Reling stehen, wo sie den weißen Wellen zuschauten, die gegen das Schiff klatschten. Sie hatten ihn nicht bemerkt. Es war wohl besser, sie nicht zu stören. So ging Chen nach unten, um sich eine Schachtel Zigaretten zu kaufen.
    »Es ist alles wunderbar«, sagte Professor Rosenthal, als sie einander wieder in der Kabine trafen.
    »Haben Sie sich einen Augenblick der Privatheit gegönnt?« fragte Mrs. Rosenthal.
    »Nun, ›Privatheit‹ ist ein Wort, das man schwer ins Chinesische übersetzen kann.«
    Er war darüber verschiedentlich gestolpert. Ein entsprechendes kurzes Wort für »Privatheit« gab es im Chinesischen nicht. Er mußte den Begriff mit einer Wendung oder einem ganzen Satz umschreiben.
    Auf der Rückfahrt ins Hotel fragte Rosenthal nach dem Besuchsprogramm für den Abend.
    »Zum Abendessen ist nichts Besonderes vorgesehen«, sagte Chen. »Im Programm steht ›frei‹, das heißt, Sie können selbst entscheiden. Gegen halb neun werden wir in den Xishuang-Garten des Hotels zu einer Karaoke-Party gehen.«
    »Sehr gut«, sagte Rosenthal. »Zur Abwechslung dürfen wir Sie einmal zum Essen einladen. Suchen Sie ein gutes chinesisches Restaurant für uns aus.«
    Chen schlug das Moscow Suburb vor.
    Er tat es nicht nur, weil er dem Überseechinesen Lu nach vielen telefonischen Einladungen versprochen hatte, zu ihm zum Essen zu kommen. Es konnte auch sein, daß es eine neue Botschaft von Peiqin gab. Daß Chen die Amerikaner begleitete, würde die Innere Sicherheit nicht mißtrauisch machen, und für Lu würde es das Geschäft beleben. Hinterher konnte Chen sogar einen Artikel über »Die Rosenthals in Shanghai« schreiben und dabei das Moscow Suburb erwähnen.
    Und das Moscow Suburb war genauso prachtvoll, wie Lu es versprochen hatte. Wie durch Zauberei hatte Lu es verwandelt; mit der schloßartigen Fassade, der goldenen Kuppel und der schönen Gartengestaltung an den Seiten erinnerte es in nichts mehr an das schäbige Lokal von einst. Ein russisches Mädchen, groß und blond, stand am Tor und begrüßte alle Gäste.
    »Die gegenwärtigen Wirtschaftsreformen scheinen China ja wirklich zu verändern«, bemerkte Professor Rosenthal.
    Chen nickte zustimmend. Unternehmen wie das von Lu schossen aus dem Boden wie die sprichwörtlichen »Bambusschößlinge nach einem Frühlingsregen«. Eine der beliebtesten Redensarten war heutzutage xiangqian kan. Das war ein Spiel mit den Tönen der chinesischen Sprache und bedeutete: »Schau aufs Geld!« In den siebziger Jahren hatte die Parole, mit einem gleichlautenden, aber anders geschriebenen Schriftzeichen, gelautet: »Schau in die Zukunft!«
    Hinreißende Russenmädchen stolzierten in ihren Miniröcken herum, und das Restaurant machte ein blendendes Geschäft. Alle Tische waren besetzt. Auch einige Ausländer speisten hier.
    Die Rosenthals und Chen wurden in ein Separee gebeten. Das Tischtuch schimmerte schneeweiß, die Gläser blitzten unter blankpolierten Kandelabern, und das schwere silberne Besteck hätte den Zaren in ihrem Winterpalais zur Ehre gereicht.
    »Reserviert für besondere Gäste«, verkündete Lu voller Stolz und öffnete für sie eine Flasche Wodka.
    Der Wodka schmeckte echt. Und Kaviar gab es auch. Die Bedienung war untadelig. Die russischen Kellnerinnen gaben ihr Bestes, ja sie waren von einer fast schon zudringlichen Aufmerksamkeit.
    »Wunderbar«, nickte Mrs. Rosenthal.
    »Auf Chinas Wirtschaftsreform!« schlug Professor Rosenthal vor.
    Alle hoben die Gläser.
    Als der Überseechinese Lu sich entschuldigte, folgte ihm Chen auf die Herrentoilette.
    »Ich bin richtig erleichtert, daß du heute kommen konntest, alter Junge«, sagte Lu, die Wangen vom Wodka gerötet. »Seit dem Anruf von Wang habe ich mir richtig Sorgen gemacht.«
    »Du hast es also schon gehört.«
    »Ja – falls alles stimmt, was Wang mir erzählt. Aber etwas anderes weiß ich nicht.«
    »Mach dir keine Gedanken; ich genieße noch immer das Vertrauen der Partei; sonst wäre ich heute abend mit unseren

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